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Die Wolke

Die Wolke

Titel: Die Wolke
Autoren: Gudrun Pausewang
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Käfig hing im Wohnzimmer der Großeltern. Uli hatte ihnen fest versprochen, Coco während ihrer Mallorca-Reise gewissenhaft zu füttern und zu pflegen. Das hatte er bisher auch getan. Sogar an diesem Vormittag, vor dem Kartoffelreiben.
    »Niemand«, rief Janna-Berta zurück. »Der ist jetzt auch nicht wichtig.«
    »Natürlich ist er wichtig!« rief Uli empört.
    Und schon bremste er, sprang vom Fahrrad und drehte um.
    »Bleib hier!« schrie Janna-Berta. Sie holte ihn ein und herrschte ihn an: »Du bleibst hinter mir, hörst du! Du hast ja keine Ahnung, du Blödmann!«
    Uli brach in Tränen aus. Aber er stieg wieder aufs Rad und folgte ihr.
     

3
    Sie hatten Mühe, die Bahnhofstraße zu überqueren. Zwar war in Richtung Süden die Fahrbahn fast leer, aber auf der anderen jagte ein Wagen den anderen. Janna-Berta hielt den nächstbesten an, damit Uli sicher die andere Straßenseite erreichen konnte. Der Fahrer hupte unwillig. Janna-Berta kannte ihn: Es war Herr Miltner. Im Tischtennisclub hatte er die Anfänger trainiert. Ein freundlicher und geduldiger Mann. Jetzt starrte er böse aus dem Wagenfenster, als er an den Kindern vorüberschoß.
    Es war nicht einfach, mit kaum einem Meter Abstand an der Wagenkolonne entlangzufahren. Die Leute am Steuer schlugen keine vorsichtigen Bogen um die Radler, denn links von ihnen rasten hupend die Überholer vorbei. Janna-Berta ließ Uli vor sich herfahren, um ihn im Auge zu haben.
    In Hutzdorf, gleich hinter Schlitz, waren die Seitenstraßen wie leergefegt. Ein paar Wagen reihten sich in die Kolonne auf der Hauptstraße ein. Ein Hund lief bellend neben einem dieser Wagen her. Der Wagen verschwand in der Ferne, und das Tier gab, jämmerlich jaulend, die Verfolgungsjagd auf. Uli mußte scharf bremsen, um es nicht zu überfahren. Er wollte den Hund streicheln, aber der schnappte nach ihm, und Janna-Berta trieb zur Eile an.
    »Wie mit Coco. Genau wie mit Coco«, sagte Uli, und Janna-Berta sah, daß ihm wieder die Tränen kamen.
    Sie begegneten vielen Bekannten. Kinder riefen aus den offenen Wagenfenstern: »Hallo, Janna-Berta! Hallo, Uli!« Die Heimbachs, die Eggelings, die Schmidts, die Trettners fuhren an den beiden vorüber.
    »Janna-Berta!« rief Frau Trettner herüber. »Wo sind eure Eltern? Ihr könnt doch nicht allein –!«
    Janna-Berta sah noch, wie sie auf ihren Mann einredete.
    Da fuhren der Zahnarzt, der freundliche Sparkassenbeamte, die Verkäuferin aus dem Metzgerladen, die Uli und Kai immer eine Wurstscheibe schenkte, wenn die Mutter dort mit ihnen einkaufte. Ulis Lehrerin winkte. Auch der Briefträger fuhr vorbei – diesmal nicht im gelben Postauto, sondern in seinem eigenen Wagen. Manche schauten weg, wenn sie die beiden erkannten, andere hoben bedauernd die Schultern. Da gab es keine leeren Plätze mehr. Die Autos waren bis oben hin zugepackt.
    Vor einer Tankstelle standen Autos in einer Doppelreihe Schlange. Die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel. Es war fast sommerlich warm. Uli klagte über Durst. Janna-Berta ließ ihn zwischen Hutzdorf und Queck aus einem Graben trinken. Ob das Wasser sauber war oder nicht, was machte das jetzt noch aus? Sie selber trank auch. Sie tranken aus den hohlen Händen und näßten sich das Gesicht.
    »Los, beeil dich«, drängte Janna-Berta.
    »Ich seh aber noch keine Wolke«, sagte Uli mißmutig, stieg wieder aufs Rad und strampelte weiter.
    Wagen hinter Wagen. Bekannte Kennzeichen aus der Nachbarschaft: Fulda, Vogelsberg, Bad Neustadt an der Saale, Bad Kissingen, hin und wieder auch Schweinfurt. Personenwagen, Lastwagen, Busse und Motorräder. Einmal zog ein Polizeihubschrauber über die Straße weg. Die Autoradios quäkten durch die geschlossenen Fenster.
    Ein alter Golf fiel Janna-Berta auf: Auf dem Dachgepäckträger war ein Nachtstuhl festgezurrt. Oma Berta hatte so einen Nachtstuhl benutzt, als sie im Krankenhaus gewesen war. Janna-Berta versuchte einen Blick ins Wageninnere zu werfen, aber die Scheiben spiegelten, und der Wagen fuhr zu schnell.
    Queck, Rimbach, Oberwegfurth – kleine Dörfer in einer friedlichen Landschaft. Das Fuldatal – eine ebene Strecke, angenehm zu fahren. Aber schon hinter Rimbach begann Uli müde zu werden. Janna-Berta mußte ihn immer wieder zu schnellerer Fahrt antreiben. Es war ein Uhr fünfundzwanzig.
    »Ich muß mal ausruhen«, bat Uli. »Nur fünf Minuten. Mir tun die Knie so weh. Außerdem hab ich Hunger.«
    Janna-Berta hetzte ihn weiter, bis er auf halber Strecke zwischen Rimbach und
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