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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman
Autoren: Random House
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Unterwäsche-Schublade, zu den beigen Baumwollunterhosen und -büstenhaltern, und dann empfing ich Howie in Herrenhemd und Krawatte.
    Drei Monate zuvor hatte er sich, nachdem er von der Arbeit gekommen war, fast eine halbe Stunde lang im Badezimmer eingeschlossen. Das tat er vier Abende in Folge, und ich fragte mich schon, ob er einen Magenvirus hätte. Erst als ich eines Morgens die Handtücher zum Waschen holte, bemerkte ich den verräterischen Fleck auf dem Badezimmerteppich. Da wusste ich, was er dort die ganze Zeit getan hatte. Ich rollte die Matte zusammen und warf sie angeekelt in den Wäschekorb und war hinterher fast stolz auf mich, dass ich mit Howie wegen des Flecks nicht geschimpft hatte.
    Ich kann nicht sagen, seit wann ich einen solchen Widerwillen vor einem Körperkontakt mit Howie empfinde. Das war wohl ein schleichender Prozess. Irgendwann wurde Sex zu einer meiner vielen häuslichen Verpflichtungen. Ich kochte, spülte, wusch ab, half Quentin bei den Hausaufgaben, und wenn mein Sohn endlich schlief, lagen Howies Hände auf mir. In den ersten Jahren unserer Ehe genoss ich seine Aufmerksamkeit, aber irgendwann wollte ich mich abends nur noch ausruhen, und jeder Vorstoß von Howie wurde zu einer weiteren Pflicht, die ich zu erledigen hatte, bevor ich schlafen konnte und wieder von vorne anfangen musste. Eines Tages war der Punkt erreicht, an dem mich Sex genauso begeisterte wie eine volle Spülmaschine oder ein Korb mit Bügelwäsche.
    Mir fallen neuerdings auch Dinge an meinem Mann auf, die mich früher nicht gestört haben. Wenn er beispielsweise Zeitung liest, spielt er immer mit einem kleinen Leberfleck an seinem Hals herum. Beim Essen kaut er fast ausschließlich auf der linken Seite, sodass ich mich wundere, warum die Zähne dort nicht längst verfault sind. Außerdem hält er sich beim Gähnen nur selten die Hand vor den Mund, und ich muss wegschauen, wenn sich dabei die Speichelfäden zwischen seinen Zähnen spannen.
    Nachdem Howie zur Arbeit gefahren und Quentin in die Schule gegangen ist, bewege ich mich mit gewohnter Effizienz durchs Haus. Ich räume das schmutzige Geschirr platzsparend in die Spülmaschine, schichte Teller und Kaffeetassen dicht aneinander, damit möglichst viel in die Maschine passt, ohne sie zu überladen. Eigentlich ist es ein Armutszeugnis, dass ich stolz auf meine Fähigkeiten im Befüllen von Spülmaschinen bin, aber es gehört nun einmal zu den wenigen Dingen, in denen ich meinem Mann überlegen bin. Doch nicht so! Du machst das völlig falsch! Ich schimpfe nur mit ihm, weil ich das Gefühl brauche, irgendetwas besser zu können.
    Im Anschluss mache ich die Betten, die Wäsche und gehe einkaufen. Mein Blick fällt auf den Süßigkeitenstand. Ich muss an unsere erste Begegnung denken. Ich nehme eine Tüte Gummibärchen in die Hand und lächele wehmütig beim Gedanken an jenen Tag. Damals brauchte ich noch keine Ausrede, als Howie mit mir schlafen wollte. Vielmehr war ich bei unserer ersten Begegnung schon nach einer Viertelstunde splitterfasernackt.
    Siebzehn Jahre zuvor: Ich sortiere lose Süßigkeiten zu Gruppen von jeweils zehn oder fünfundzwanzig Stück, denn wenn die Schule aus ist, strömen die Kinder mit ihrem Kleingeld in Hayward’s Laden. Sie sind ganz wild auf Gummibären, Dauerlutscher oder Saure Ringe. Ich arbeite so konzentriert, dass ich Howie in seinem teuren Anzug mit Krawatte erst bemerke, als er wie eine Erscheinung vor mir steht. In Paradise Bay trägt niemand einen Anzug, außer bei Hochzeiten und Beerdigungen. Mein erstaunlicher Kunde muss also jenseits des 100-Meilen-Radius wohnen. Der Fremde ist ordentlich rasiert, trägt das Haar entgegen der Mode kurz geschnitten und benutzt ein Aftershave, das nach Kiefern und Feldweg duftet. Er riecht zwar, als würde er den ganzen Tag in der freien Natur verbringen, doch er wirkt nicht gerade wie jemand, der sich in den Wäldern heimisch fühlt. So einen Mann habe ich noch nie gesehen. Außerdem ist er dermaßen attraktiv, dass mir die Luft wegbleibt.
    Ich bin im Grunde noch ein Mädchen und habe meistens mit Jungs zu tun. Ein Blick auf diesen Mann, und ich weiß Bescheid: Er würde nicht über laute Fürze kichern oder zu »Stairway to Heaven« Luftgitarre spielen. Er ist älter als ich, obwohl ich ihn schwer einschätzen kann. Kommt er aus St. John’s? Doch als er mich anspricht, höre ich, dass er vom Festland stammen muss, aus Toronto oder möglicherweise sogar Calgary. Jetzt bin ich umso
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