Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
ihrer Zigarette, blies den Rauch in Richtung |18| Decke, blieb mit verschränkten Armen stehen und guckte eine Weile mit.
    »Oh, das ist doch der Mann, der mir so gefällt, oder? Wie heißt er gleich?«
    »Flint McCullough.«
    »Nein, der Schauspieler, meine ich.«
    »Mom, weiß ich doch nicht.«
    »Robert irgendwas. Der sieht so gut aus.«
    »Mom,
bitte

    In dem Moment, als Flint und Bill ihre Rettungsaktion starten wollten, setzte die Werbung ein. Tommys Mutter stöhnte und ging aus dem Zimmer. Werbung hielten seine Eltern für »gewöhnlich«. Achtbare Familien sahen nur BBC, den Sender, der so viel Geschmack bewies, keine Werbung zu senden. Tommy verstand das Problem nicht. Eigentlich war die Werbung oft besser als das, was davor oder danach kam. Tommy kannte die Spots fast alle auswendig. Wie Diane war er immer schon ein guter Mime gewesen, und manchmal, wenn seine Eltern Besuch hatten, bat ihn seine Mutter, den
Strand
-Zigarettenmann zu spielen. Unter Protest und vorgetäuschtem Widerwillen verließ Tommy das Zimmer. Wenig später schlenderte er wieder herein, trug den alten Filzhut seines Vaters und den Regenmantel, an dem er den Kragen hochgeschlagen hatte, und paffte schlechtgelaunt eine unangezündete Zigarette, die er aus dem Silberetui auf dem Kaffeetisch im Foyer genommen hatte. Dann sagte er:
Your’re never alone with a Strand.
Er erntete stets Gelächter und manchmal auch Applaus. Als Zugabe – er hatte die Verkleidung noch an – bat seine Mutter ihn, Sergeant Joe Friday aus
Dragnet
nachzumachen.
    O Mom,
stöhnte er dann in gespielter Verlegenheit, woraufhin selbstverständlich ein bittender Chor ein
Ach, mach schon, Tommy, bitte!
anstimmte. Also setzte er ordnungsgemäß seine ernsteste, männlichste Miene auf und verkündete in Sergeant |19| Fridays ausdrucksloser Art, dass die Geschichte, die sie gleich zu sehen bekämen, wahr sei, nur die Namen geändert wurden, um Unschuldige zu schützen.
The facts, ma’am, just the facts
.
    Als Tommy den Kuchen aufgegessen hatte, hatten Flint und Bill die Sache so gut wie erledigt. Die Indianer wurden allesamt erschossen oder flohen, das kleine Mädchen wurde gerettet, und als sie zur Wagenburg zurückkehrten, war ihr Daddy aufgetaucht. Er hatte einen Verband am Kopf, war aber sonst unversehrt. Vater und Tochter umarmten sich unter Tränen und setzten sich anschließend mit allen ans Feuer zum Abendessen. Es gab Bohnen und Speck, das Einzige, was Koch Charlie zuzubereiten in der Lage war.
    Genau wie Flint angenommen hatte, war die Wagenburg von einem Trupp kriegerischer Shoshonen angegriffen worden, die das Mädchen als Squaw mitgenommen hatten. Aber Tommy war sich nicht sicher, was das genau zu bedeuten hatte. Wie dem auch sei, sie hatte ihre Sprache wieder gefunden, und alles endete mehr oder weniger glücklich, wie fast immer.
    Tommy setzte seinen Cowboyhut ab, zupfte an der Krempe und starrte weiter wie gebannt auf den Bildschirm, bis die Titelmelodie und der Abspann vorbei waren.
    »Tommy, komm jetzt«, rief seine Mutter aus der Küche. »Mach schon! Dein Vater kommt jede Minute nach Hause.«
    »Komme.«
    Er trug das leere Glas und den Teller in die Küche, die erst vor kurzem
renoviert
worden war. Alle Flächen waren jetzt mit hellblauem Resopal überzogen. Seine Mutter stand am Herd, rührte in einer Pfanne und sah gelangweilt aus. Im Radio verkündete der BBC-Nachrichtensprecher, dass die Russen eine unbemannte Rakete zum Mond schicken wollten.
    Seine Mutter hieß eigentlich Daphne, aber sie hasste den Namen, darum nannten sie alle Joan. Sie war eine kleine, korpulente Frau mit molligen Armen und heller Haut, die sich rot |20| färbte, wenn sie wütend war. Das geschah häufiger. Genau genommen sah ihr rotbraunes Haar immer wütend aus, besonders an Freitagen, wenn sie es hatte färben und in enganliegende, drahtige Locken legen lassen.
    Tommy wusch sein Glas und den Teller in der Spüle ab und stellte beides auf das Abtropfbrett, wo die Zigarette seiner Mutter in einem Aschenbecher vor sich hinqualmte. Daneben stand ein Glas mit Gin Tonic. Sie schenkte sich immer genau dann den ersten ein, wenn im Radio Big Ben sechs Uhr schlug. Dieser Drink war wahrscheinlich ihr dritter.
    »Wann kommt Diane nach Hause?«
    »Spät. Sie nimmt den letzten Zug.«
    »Darf ich aufbleiben?«
    »Nein, das darfst du nicht! Du siehst sie am Morgen. Los jetzt, ab mit dir.«
    Diane war vierundzwanzig und lebte in London, in der Nähe der Paddington Station, wo sie sich das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher