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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman
Autoren: Aufbau
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Griff ab.
    »Was tust du da?«
    »Tommy, hör mir jetzt zu!«
    Dann hörten sie einen Schrei und sahen Dolores und Miguel in der Tür. Dolores hielt sich die Hände vor den Mund, ihr |349| Blick wanderte hastig von der Waffe in Dianes Händen zu Ray, der zusammengesunken und blutig am anderen Ende des Zimmers lag. Dolores murmelte etwas Unverständliches, drehte sich um und rannte weg, Miguel wich langsam auf dem Treppenabsatz zurück.

|350| DREISSIG
    Das Feuer war heruntergebrannt. Tommy blickte in die Glut. Er wusste, dass Danny ihn ansah und wartete, dass er fortfuhr, doch diese Wahrheiten und Bilder, die heraufbeschworen wurden, waren bald ein halbes Jahrhundert vergraben gewesen, und sie jetzt auszugraben war nicht leicht.
    »Dad? Alles in Ordnung?«
    Tom nickte und sah flüchtig zu seinem Sohn, dann in den Himmel. Der Mond war über sie hinweggewandert und hing jetzt flussaufwärts zwischen den steilen Ufern, an denen das Wasser ruhig dahinfloss.
    »Ich werde alt. Frierst du auch?«
    Danny schüttelte den Kopf.
    Tom stand auf. Seine Knie waren steif, und er humpelte zum Zelt. Er zog einen Pullover aus dem Rucksack und zog ihn sich über, während Danny die letzten Holzstücke ins Feuer legte. Sie setzten sich und tranken Wasser aus Toms Flasche.
    »Dad, du musst nicht weiterreden. Ich weiß, wie schwer es dir –«
    »Ich möchte aber weitererzählen.« Er lachte. »Verdammt, jetzt wird es erst interessant.«
     
    Viele Stunden und Tausende von Dollar hatte Tom in Therapien investiert, um sein Leben nicht mehr nur als eine Folge von
Wenn-doch-nur
zu betrachten. Wenn er doch nur dieses statt jenem getan hätte oder sein Temperament gezügelt oder seinen Mund in bestimmten Momenten gehalten hätte; wenn er doch nur irgendeine wichtige Begebenheit mit den Augen eines anderen |351| gesehen hätte, statt so verdammt überzeugt zu sein, dass er recht hatte; wenn er doch nur freundlicher zu Gina gewesen wäre und verständnisvoller; wenn ihn doch nur seine Wut nicht so übermannt hätte und sein Selbsthass, als sie ihn mit Danny verließ. Irgendwann hatte er begriffen, dass es nicht gerade sinnvoll war, die Dinge so zu betrachten – es sei denn, es half, dieselben Fehler nicht wieder zu begehen. Er war am Ende lediglich von larmoyantem Bedauern erfüllt gewesen, das ihn so erfüllte, bis kein Platz mehr für irgendetwas anderes vorhanden gewesen war.
    Trotzdem war es schwer, zurückzuverfolgen, was Diane zugestoßen war, ohne an jedem Verbindungspunkt ein
Wenn-doch-nur
zu finden.
    Ende der sechziger Jahre, kurz bevor er starb, hatte Herb Kanter einem Filmmagazin ein langes Interview über sein Leben gegeben. Die Journalistin hatte ihre Hausaufgaben gut gemacht, denn sie fragte auch nach Diane Reed, einen Namen, der selbst Filmexperten nur noch wenig bedeutete. Er erklärte, dass Diane sehr talentiert gewesen sei und ein tragisches Ende genommen habe, spekulierte, dass, wenn Jerry Giesler noch am Leben gewesen wäre, der Fall nie vor Gericht gekommen wäre.
    Giesler war der legendäre Anwalt, der herbeizitiert wurde, wenn Hollywoods Größen bis zum Hals in Schwierigkeiten steckten. Er hatte eine Unzahl von Stars verteidigt: Errol Flynn, Robert Mitchum, Charlie Chaplin. Seinen letzten Triumph hatte er 1958, als Lana Turners Tochter Johnny Stompanato, den Mafia-Liebhaber ihrer Mutter, mit einem Küchenmesser erstochen hatte. Giesler war vor der Polizei am Tatort und sorgte dafür, dass die Storys von Mutter und Tochter übereinstimmten. Der Fall kam nie über eine gerichtliche Untersuchung hinaus, bei der Lana Turner die Vorstellung ihres Lebens gab. Das Urteil lautete auf Notwehr. Herb Kanter war offenbar der Meinung, dass Giesler das Gleiche für Diane hätte erreichen |352| können. Bedauerlichweise wurde in dem Moment, als er gebraucht wurde, eine Gedenktafel auf dem Forest-Lawn-Memorial-Friedhof für ihn aufgestellt.
    Das größte
Wenn-doch - nur
kannte nur Tom. Wenn er doch nur seiner Mutter nicht gehorcht und die Wahrheit gesagt hätte. Aber Diane war so entschieden gewesen. In den fünfzehn Minuten, bevor die Polizei eintraf, bläute sie ihm immer wieder ein, was er zu sagen hatte, und er musste versprechen – Indianerehrenwort – dabei zu bleiben. Ohne ihre Absicht zu kennen, sah er ihr zu, wie sie die Waffe säuberte und fest in ihre Hand drückte, sie legte sogar sanft einen Finger an den Abzug und deponierte sie auf dem Bett. Schließlich ging sie zum Nachttisch, wischte den Griff ab und umfasste ihn
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