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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman
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blieb unberührt; in den alten Rohrleitungen unter den holzstichigen Dielen rauschte und rumpelte es; an den schwarzen Eisenbetten befanden sich noch die Schlitze für die Schlingen, mit denen einst die Unbändigen gefesselt worden waren; und die Holzbänke in dem nasskalten und übelriechenden Umkleideraum trugen noch die eingeritzten Initialen der Wahnsinnigen und Verzweifelten.
    Für die Neuankömmlinge oder Neulinge, wie sie weniger liebevoll bezeichnet wurden, jugendlich frisch und in den viel zu großen Uniformen, war der Umkleideraum Ashlawns der furchtbarste Ort. In diese Kammer, das lernten sie zuerst, befahl sie nach Ausschalten des Lichts irgendein Lehrer und verabreichte ihnen die offizielle Tracht Prügel. Von den vielen Schlägern auf dem Schulhof konnten sie dort jedoch zu jeder Tages- oder Nachtzeit weniger offiziell, dafür aber umso erfinderischer drangsaliert werden. Die Wände über den Bänken waren mit Namensschildern und Gitterdrahtschränken versehen. Darin bewahrten die Knaben ihre Sportkleidung auf. In der Luft hing der Geruch von feuchten Socken. Abgesehen von der schmutzigen Dachluke im Duschraum spendete nur eine einzelne nackte Birne Licht, die an einem ausgefransten Kabel von der Decke hing.
    Im Umkleideraum versuchte Tommy Bedford drei wundersam trockene Tage und Nächte nach seiner Ankunft in seinen weiten knielangen Rugbyshorts und einem makellos weißen Hemd die Schnürsenkel seiner Rugbystiefel aufzubinden. Sie waren fest und umständlich an den Draht des Schranks geknotet. Mit seinen abgenagten Fingernägeln bekam er sie nicht auf. Seine Mannschaft wurde von dem Hauslehrer Mr Brent beaufsichtigt, der, wie Tommy bereits wusste, der strengste und gemeinste Lehrer war. Seine Mitschüler waren schon auf dem |34| Weg zum Spielfeld, und je leiser das Echo der Stimmen im Korridor wurde, desto größer wurde die Angst in seiner Brust.
    »Nichtsnutziger Neuling. Wir kommen wohl zu spät zum Spiel, nicht wahr?«
    Tommy kannte noch nicht viele von den älteren Jungen, aber er kannte diesen. Jeder machte um Critchley einen weiten Bogen. Und um den Henker Judd, dessen Gesicht jetzt hinter dem anderen auftauchte. Sie waren elf Jahre alt und aus Remove B, bekannt auch unter dem Namen Deppen, der Klasse, in die man gesteckt wurde, wenn man blöd oder faul oder beides war.
    »Oje. Haben wohl die Schnürsenkel durcheinandergebracht, was?«, sagte Judd.
    »Ja.«
    »Wie heißt du, Neuling?«
    »Bedford.«
    »Ach, du bist der Klotzjunge, oder nicht?«, sagte Critchley.
    Er war groß und sehnig, hatte flachsblondes Haar, das ihm in die Stirn fiel. Judd war untersetzt und hatte das fleischige Gesicht eines Metzgerjungen. Tommy machte sich an den Schuhbändern zu schaffen und tat so, als habe er sie nicht gehört. Er sah die beiden auch nicht an. Das Erste, was Neulinge lernten, war, sich nicht dabei erwischen zu lassen, die Älteren anzustarren. Tat man es doch, sagten sie
Showdown
und boxten oder nahmen einen in den Schwitzkasten. Aus dem Augenwinkel sah er die zwei heranschlendern.
    »Bist du taub und dämlich, Klotzjunge?«
    »Nein, Sir – ich meine, nein, Critchley.«
    »Ich sagte, du bist der Klotzjunge, oder nicht?«
    »Wozu sind die denn?«, sagte Judd.
    »Wozu ist was?« Tommys Stimme klang dünn, gequetscht.
    »Die Klötze, du schleimige kleine Kröte.«
    Die Hausmutter wusste von Tommys Bettnässerei, aber sonst |35| bisher niemand. Er war schon wegen der Klötze aufgezogen worden und hatte Dianes Rat folgend jedem, der fragte, gesagt, dass er unter Durchblutungsstörungen leide und es für seinen Blutfluss besser sei, wenn er in diesem Winkel schlief. Er setzte zu einer Erklärung an, kam aber nicht weit. Critchley packte ihn am Ohr und drehte es um.
    »Lass das!«
    Tommy schlug die Hand fort. Seine Knie zitterten, und er merkte, dass seine Blase nachgeben wollte.
    »Sieh an.« Crichtley grinste boshaft. »Der Klotzjunge hat Temperament.«
    Tommy starrte sie an, sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
    »Showdown«, rief Critchley.
    Tommy sah zu Boden. Im selben Moment trat Judd hinter ihn und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Critchley packte ihn an den Ohren und drehte sie so, dass Tommy dachte, er risse sie ab. Tränen rannen ihm übers Gesicht, und, schlimmer als das, ein warmes Rinnsal lief an seinen Innenschenkeln hinab. Critchley musste es gerochen haben, denn er ließ Tommys Ohren los und trat zurück.
    »Ach du liebe Güte, was haben wir denn da?«
    Tommys lange grüne Wollsocken
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