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Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)

Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)

Titel: Die Wilden Küken - Auf der Alm (German Edition)
Autoren: Thomas Schmid
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nicht sehen, hörte ihn aber ächzen. Enyas ausgestreckte Hand erwischte eine aus der Steilwand ragende Wurzel. Halb kletternd, halb von Ole gezogen, erreichte sie die Kante und war gerettet.
    Wieder erschien Oles Kopf über dem Abgrund. »Jetzt du, Lilli!«
    Er warf ihr den Brustgurt zu und Lilli schnallte ihn sich um.
    Enya half Ole, so gut sie konnte. Das Seil spannte sich und schon schwebte Lilli sicher nach oben.
    »Alles klar?« Lilli schlüpfte aus dem Gurt und warf Ole einen prüfenden Blick zu.
    »Du bist noch viel zu nah dran!« Er packte sie am Arm und zog sie ein paar Schritte vom Abgrund weg.
    Lilli wühlte ihre Regenjacke heraus und legte sie der zähneklappernden Enya um.
    »Abflug,
Küken
!« Ole stopfte die Seile in seinen Rucksack und drängte zum Aufbruch.

    Sie hatten den Waldrand schon fast erreicht und konnten bereits die Umrisse des Felsenturms durch die lichter werdenden Bäume erkennen, da stolperte Lilli und fiel der Länge nach hin. Erschrocken drehten Ole und Enya sich um.
    »War nur eine Wurzel!« Lilli richtete sich auf. Aber es war keine Wurzel gewesen, worin sie sich mit dem Fuß verfangen hatte. Verwundert bückte sie sich. Das war ein brüchiger Lederriemen. Sie zog an der Schlaufe, die jedoch zu tief in der Erde steckte, als dass Lilli sie hätte so einfach herausziehen können. Lilli schob feuchtes Laub beiseite.
    »Was ist denn da?«, fragte Ole, der neugierig umgekehrt war.
    Kniend und mit bloßen Händen fing Lilli zu graben an. Inzwischen näherte sich auch Enya.
    Ole half Lilli beim Graben und kurz darauf hielten sie die Reste eines Rucksacks in den Händen. Lilli versuchte, eine rostige Schnalle zu öffnen, aber sie zerfiel ihr fast in den Händen. Angeekelt und neugierig zugleich wühlte Lilli ein rostiges Messer aus dem vermoderten Rucksack, die Splitter einer Glasflasche und eine verkrustete Öse.
    »Wer den wohl verloren hat?« Lilli erhob sich und stocherte mit dem Fuß noch mal durch die faulig riechenden Stofffetzen und Lederreste. Sie wollte die Öse, die sie noch immer in der Hand hielt, fallen lassen, stutzte aber. »Das ist ja ein Ring!« Hastig befreite sie den Ring von seiner Kruste und polierte ihn an ihrem Hosenbein.
    »Er ist aus Silber«, sagte Ole. »Ist nur angelaufen!« Ole zog ein zerknülltes Butterbrotpapier aus der Tasche und wickelte die restlichen Überbleibsel sorgsam darin ein.
    »Sieht aus wie ein Verlobungsring«, murmelte Enya.
    Lilli rieb die Innenseite sauber und las mit klopfendem Herzen den Namen, der in den Ring graviert war: »Franziska!«

Lilli, Ole und Enya hatten gerade den Falkenturm passiert, der Blick ins Tal öffnete sich und Lilli blieb stehen. Weit unter ihnen lag die Hadersdorfer-Alm und in noch weiterer Ferne konnte man winzig klein den Staigerhof erahnen. »Haben wir schon Empfang?«, fragte Lilli.
    Ole kontrollierte das Walkie-Talkie und schüttelte den Kopf. Trotz Lillis Jacke schlotterte Enya in ihren nassen Kleidern. Lilli rieb ihr tröstend und wärmend über den Rücken und entdeckte den feinen weißen Rauchfaden, der aus dem Kamin der Schraderhütte in den klaren Himmel stieg.
    »Kommt!« Lilli lief voran Richtung Trockenmauer.

    Lilli hatte kaum geklopft, da öffnete sich auch schon die Tür. Aus schmalen misstrauischen Augen musterte Fanni die drei Wanderer. »Seid ihr wieder hier, um euch einen Spaß mit mir zu erlauben?« Ihre Stimme klang nicht böse, sondern traurig.
    Lilli, Enya und Ole schüttelten den Kopf. Fanni betrachtete Enyas durchweichte Schuhe. »Was ist passiert?«
    Vor Kälte schlotternd, erzählte Enya von ihrem Absturz. Den Grund für ihr Davonlaufen erwähnte sie nicht.
    »Heiße Honigmilch?«, fragte Fanni. Sie ließ die Tür offen stehen und trat, ohne eine Antwort abzuwarten, in die Hütte.
    »Ich geb den anderen Bescheid!« Ole zückte das Walkie-Talkie und hockte sich damit auf die Bank unter dem Fenster.
    Lilli und Enya folgten Fanni in die Stube, wo die alte Frau sich gerade vor dem Ofen bückte und noch ein paar Holzscheite in die Glut warf. Funken stoben heraus und verglühten.
    Während Fanni drei Tassen auf den Tisch stellte, kam Ole herein und nickte Lilli zu. »Alles klar!«
    »Du brauchst erst mal trockene Sachen!«, sagte Fanni und nahm Enya mit in den Nebenraum.
    Lilli sah, wie die Milch in dem Topf auf dem Herd zu blubbern anfing, nahm sie von der Kochstelle und verteilte sie in die Tassen. Sie zögerte kurz, dann nahm sie eine vierte Tasse vom Bord und das Gefäß mit dem Honig.
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