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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre
Autoren: Will Berthold
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Landgerichtsdirektor überrascht, weil der Beschuldigte eines Verfahrens, das in diesem Stadium noch getrennt von der Sache Ritt lief, weder vom Staatsanwalt noch vom Verteidiger vorgeladen worden war.
    »In diesem Fall als Zeuge«, erklärte Schiele.
    »Das ist doch völlig zwecklos!« fuhr Rothauch hoch. »Reine Zeitverschwendung. Sie entnehmen sicher den Akten, Herr Vorsitzender, daß …«
    »Der Zeuge ist bereit, auszusagen, wer ihm die Geheimdokumente übergab«, unterbrach ihn Schiele.
    »Das würde mich freuen«, entgegnete der Vorsitzende, »aber ich verstehe nicht, warum Sie uns das erst heute mitteilen.«
    »Weil erst gestern zum ersten Mal ein Anwalt mit dem Verhafteten sprechen durfte.«
    »Und der waren Sie?« rief Rothauch drohend.
    »Allerdings«, erwiderte Schiele trocken.
    Bis zum Eintreffen des Zeugen Brenner, der aus der Haftanstalt vorzuführen war, unterbrach der Landgerichtsdirektor die Sitzung; die drei Richter verließen den Saal, während alle anderen wie gebannt auf ihren Plätzen blieben, bis Oberstaatsanwalt Dr. Link demonstrativ auf Rothauch zuschritt und leise auf ihn einsprach, wie der Trainer auf einen Favoriten, zwischen den Boxrunden zeigend, wie sicher er des Sieges sei.
    »Was haben Sie vor, Schiele?« fragte Martin.
    »Vielleicht bin ich Ihr Zauberlehrling«, erwiderte der Jurist.
    »Ich kenne Sie doch …«
    »Sie kennen mich?« fragte Schiele giftig. »Seit wann?«
    Martin schwieg, er sah das eisige Lächeln ihres ständigen Zweikampfes; Schiele erkannte durch die Scherben der Glaswand das vertraute Ritt-Gesicht. »Daß Sie kämpfen würden, falls man Sie freilässt, weiß ich jetzt«, stellte er fest. »Bliebe noch das alte Spiel, unsere ungelöste Frage …« Seine Basedowaugen betrachteten Martin starr, Glaskugeln, die gleich aufeinander zurollen würden. »Wie stehen wir eigentlich miteinander?«
    »Ausgerechnet jetzt wollen Sie das wissen?« fragte Martin ungehalten.
    »Weichen Sie mir nicht aus, Ritt!« erwiderte der Anwalt scharf. »Würden Sie mir noch immer nicht den Rücken kehren?«
    »Das habe ich doch längst getan, Schiele …«
    »Aber nie zugegeben – in den vielen Jahren unserer freundlichen Feindschaft.«
    »Feindlichen Freundschaft«, korrigierte Martin.
    »Und?« fragte der Jurist; er wußte, wie schwer Ritt die Antwort fiel, einem Ritt, der begriffen hatte, daß ihm das Ende der wilden Jahre nichts schenken würde. Er hatte Professor Sturm beleidigt, der ein Leben verlängerte, das Martin nicht kaufen konnte; er hatte Eva brutal misshandelt, die zu ihm hielt, als er im Fallen war; er hatte Petra zu ihrer Mutter zurückgeschickt, die sich von Bettina lossagte, als sein Untergang begonnen hatte; er mußte sich zuletzt noch Schiele unterwerfen, der ihm die Gehässigkeit der Jahre mit Anstand vergalt.
    »Ich habe Ihnen immer getraut, Schiele …«, sagte er gepresst.
    »Sehen Sie mich an«, erwiderte Schiele schroff.
    »… nur«, stellte sich Martin den grünen Glaskugeln, »wollte ich es nie wahrhaben.«
    »Gut, Ritt«, entgegnete Schiele, »diese Frage wäre gelöst – nun habe ich Ihnen einiges zu sagen.« Er sprach ruhig, aber seine Lippen wirkten nervös. »Ich habe Ihre arrogante Überheblichkeit immer gehasst und bewundert. Ich habe Sie um Ihren verdammten Stolz beneidet, der Sie damals vor der Kugel rettete, und um Ihre falsche Ritterlichkeit. Um Ihre wunderbare Mutter habe ich Sie beneidet, Ritt«, sagte Schiele kalten Blicks, warmen Tons, »– und um Ihre Tochter – und auch um Eva.« Schiele lächelte verkümmert, schief. »Um Ihren Mut habe ich Sie beneidet, und sogar um Ihren Hass – auch wenn er mir galt.«
    »Schiele«, sagte Martin gequält, »müssen wir jetzt das alles …?«
    »Wir müssen«, erwiderte der Jurist hart. »Als Sie mich an Ihrer Firma beteiligten, habe ich Sie gehasst; und als Sie begannen, mir zu trauen, hasste ich Sie, denn Sie zwangen mich durch Ihre Großzügigkeit, zu Ihnen zu stehen.« Er nickte grimmig. »Bis jetzt – denn heute kann ich Ihnen endlich – in den Rücken fallen.«
    »Einverstanden.«
    »Aber nach unserer Spielregel«, fuhr Schiele fort. »Keiner läßt sich von dem anderen etwas schenken.« Seine Stimme wurde wieder frostig: »Sie haben mir einen Teil Ihrer Firma und Ihr Vertrauen geschenkt, und nun erlauben Sie mir«, sagte er, »daß ich mich Ihrer Gaben auf unsere Weise entledige.«
    Ein Gefängniswärter meldete, daß Brenner im Zeugenraum eingetroffen sei. Der Saaldiener gab es an
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