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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre
Autoren: Will Berthold
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Hintergrund des Saales, durch ein Gewohnheitsrecht legitimiert, ein kleiner fachkundiger Zuhörerkreis auf: einige Richter, ein paar Rechtsanwälte, die zwischen ihren eigenen Terminen sich den forensischen Leckerbissen einer Begegnung des dynamischen Rothauch mit dem fischblütigen Schiele unter dem Vorsitz Erdmanns nicht entgehen lassen wollten.
    Zuletzt erschien Dr. Link, der Oberstaatsanwalt.
    Er grüßte den Vorsitzenden stumm, mit würdigem Ernst, und ließ sich auf der letzten Zuhörerbank nieder, Rothauch – dem er in diesem Fall keine Weisungen gegeben hatte – mit einem flüchtigen Kopfnicken ermunternd.
    Rothauch erhob sich. Er reihte mit überzeugenden Sätzen überführende Indizien aneinander, sprach kein Wort zuviel, keines zu laut, vermied, in der Sicherheit des Übergewichts, unnötige Ausfälle, zusammenfassend, was nicht zu widerlegen sei: das Geständnis Wirths, von Brenner für die widerrechtliche Überlassung geheimer Dokumente Geld erhalten zu haben, die in einem Bericht des Journalisten wörtlich zitiert worden waren, zum Nutzen des beschuldigten Martin Ritt.
    Zwischen den Feststellungen entstand – unausgesprochen – das Bild eines Mannes, an dem der Geruch der wilden Jahre hing, eines Mannes, der, nur auf seinen Gewinn bedacht, stets wahllos in seinen Mitteln, diesmal einen Schritt zu weit gegangen war.
    »Vermutlich«, schloß der Staatsanwalt, »wird die Verteidigung mit dem wirtschaftlichen Schaden argumentieren, denn die …«
    »Wollen Sie meine Argumente bitte mir überlassen, Herr Staatsanwalt?« unterbrach ihn Schiele.
    »Sie haben bisher immer wieder davon gesprochen …«
    »Bevor der immense Schaden eingetreten war, weil ich auf taube Ohren stieß«, erwiderte Schiele mit vereisten Lippen.
    »Meine Herren!« beendete der Vorsitzende den ersten Zusammenstoß; er forderte den Staatsanwalt auf, der Verhandlung nicht vorzugreifen, und den Verteidiger, den Staatsanwalt künftig nicht zu unterbrechen.
    Rothauch hatte auf eine Spekulation, Schieles Haltung könne schwanken, nichts gegeben und sich von vornherein auf einen undurchsichtigen, gefährlichen Gegner eingestellt; Schieles scheinbarer Rückzug überraschte ihn nicht, denn er wußte, daß ein Hinweis auf Ritts geschäftliche Schädigung durch Haft formalrechtlich bedeutungslos war, aber psychologisch auch dann auf die Richter wirken würde, wenn man ihn nicht bis zum Überdruss immer wieder vorbrachte.
    Bestrebt, Taktik mit Taktik zu vergelten, versuchte der Staatsanwalt jetzt, das schwächste Glied seiner Beweisführung zu erhärten, indem er es selbst nannte: wenn er auch die Verbindung Ritts zu Brenner bei diesem Stand der Ermittlungen noch nicht beweisen könne, fuhr er fort, so beseitige doch ein mündliches Geständnis, das der Beschuldigte vor Tagen bereits abgelegt habe, den letzten Zweifel.
    »Würden Sie sich bitte zu diesem Geständnis äußern, Herr Ritt«, bat der Vorsitzende.
    Martin trat an den Richtertisch, und Schiele, der in sein Gesicht sah, das hungrig wirkte, wölfisch, war sicher, daß sein Mandant kämpfen würde.
    »Von Geständnis kann keine Rede sein«, erklärte der Gefangene sicher und verächtlich. »Ich habe auch Rothauch …«
    »Herrn Staatsanwalt Rothauch«, rügte der Landgerichtsdirektor fein.
    »… diesem Staatsanwalt Rothauch«, fuhr Martin fort, »kein Geständnis angeboten, sondern habe ihm ein Geschäft vorgeschlagen. Ich hätte alles auf mich genommen, um freizukommen.«
    »Finden Sie ein solches Verhalten nicht selbst recht ungewöhnlich, Herr Ritt?« fragte der Vorsitzende.
    »Ungewöhnlich gewiß«, antwortete der Beschuldigte, »aber ich wollte bei meiner sterbenden Mutter …«
    »Herr Staatsanwalt«, fragte Landgerichtsdirektor Erdmann, bestrebt, alles vom Gerichtssaal fernzuhalten, was nicht zur Verhandlung gehörte, selbst begreifliche Gefühle, »hatten Sie den Eindruck, daß Herr Ritt um jeden Preis …?«
    »Herr Ritt war sicher in einem desolaten Zustand«, entgegnete Rothauch, »aber von einem fingierten Geständnis kann keineswegs …«
    »Warum haben Sie es dann nicht zu Protokoll genommen, Herr Staatsanwalt?« fragte Schiele, seinen Gegenspieler, der sich auf seine Gründlichkeit berief, zu Ausflüchten zwingend, die nicht überzeugend waren, so dass selbst Oberstaatsanwalt Link, der zurückgelehnt, mit geschlossenen Augen, in schläfriger Pose der Konzentration der Verhandlung gefolgt war, kurz und unwillig aufsah.
    Martin bemerkte es, betrachtete den
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