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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman
Autoren: Heyne
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Gair trieb Shahe voran. Menschen wichen der Stute aus, und sie kam den Nonnen eine oder zwei Ellen näher. Ein weiteres, schwereres Geschoss traf in Halshöhe gegen Gairs Schild. Es war ein Pflasterstein, der so groß wie ein Brotlaib war. Gairs Gewebe erzitterte, und der Sang summte wütend in seinem Kopf.
    Es war eine höchst gefährliche Situation. Wenn ein Stein von dieser Größe Shahe traf, konnte er ihr das Bein brechen, und dann würden sie beide von der Menge verschluckt werden. Er konnte sie nicht nach allen Seiten abschirmen und gleichzeitig kämpfen. Also senkte er seinen Schild, wob die Luft zu etwas anderem zusammen und streckte die Arme seitlich aus.
    Die Musik erhob sich in seinem Innern, so wild wie ein reißender Strom. Wind blies mit der Macht eines Sandsturms gegen die Gimraeli um ihn herum und riss sie inmitten wogender Staubwolken von den Beinen. Einige Schritte vor sich sah er die Nonnen, die sich zum Schutz die Arme vors Gesicht hielten. Stöcke und gelockerte Pflastersteine bedeckten den Boden um sie herum, dazu ein halbes Dutzend staubiger, verwirrter junger Männer.
    »Zauberei!«, schrie jemand. »Teufelswerk!«
    Andere Stimmen nahmen diese Rufe auf. Hinter dem Brunnen erschienen weitere Leute aus der Menge, die unbedingt sehen wollten, was da vorging, und schon rückten sie auf die am Boden liegenden, hustenden Gimraeli vor. Bei allen Heiligen! Er hatte den Schwestern viel weniger Zeit verschafft, als er gehofft hatte.
    Der Sang in ihm reagierte auf seine Angst und brandete gegen seinen Willen auf. Ein misstönendes Jaulen verzerrte die Melodien, doch er unterdrückte es, wendete Shahe in einem engen Kreis und löste den Schild um die Nonnen auf. Es blieb ihm keine Zeit, herauszufinden, was diese Dissonanz im Sang bedeutete. Er hatte nur wenige Sekunden, um hier herauszukommen, bevor sich die Menge vollkommen um ihn und die Nonnen schloss.
    »Lauft!«, rief er. »Schnell, über den Platz!«
    Als sich sein Weben auflöste, lenkte er den Sang in ein neues. Flammenzungen zuckten über die Gesichter in der Menge und hemmten ihren Vormarsch. Mit einer frischen Luftwand stieß er unmittelbar vor sich die Kultisten zur Seite und machte den Weg für die Schwestern frei. Sie kamen langsam auf die Beine, taumelten, hielten sich aneinander fest und spähten durch den Staub.
    »Hier entlang!«, brüllte er sie an. »Beeilt euch!«
    Seine Stimme trieb die Nonnen an, sie rafften die Röcke und rannten los. Mit gesenkten Köpfen schossen sie an ihm vorbei, schauten weder nach links noch nach rechts und eilten durch die Lücke in der Menge auf die ausgestreckten Arme ihrer Schwestern zu. Einige Leute wollten ihnen folgen, doch Gair schlug ihnen seine Feuerpeitsche entgegen, und Funken sprangen über die Pflastersteine zu ihren Füßen.
    »Zurück!«
    Bei jedem Schlag der Peitsche heulte der Sang in ihm. Kleine Stöße und Erschütterungen zuckten an seinem Arm hoch, und die Muskeln unter der Haut wanden sich wie Schlangen.
    Die Gimraeli, die er umgeworfen hatte, rafften sich wieder vom Boden auf und starrten ihn finster an, während sie sich den Staub abwischten. Andere, die weniger verblüfft waren oder sich schneller erholt hatten, wichen zurück wie wilde Hunde, die von einem brennenden Zweig unter Kontrolle gehalten wurden. Gelegentlich schoss einer vor, als wollte er überprüfen, wie schnell und geschickt Gair seine Peitsche schwingen konnte.
    Er musste von hier fliehen, und zwar sofort.
    Mit dem Druck seiner Waden trieb er Shahe an. Die jungen Männer wichen nur so weit wie unbedingt nötig zurück. Sie sahen ihn mit ausdruckslosen Augen an und grinsten böse. Die Nonnen befanden sich nun etwa zwanzig Ellen von ihm entfernt jenseits der dichten Menschenmenge. In ein paar Sekunden würden sie in Sicherheit sein. In ein paar Sekunden und mit ein bisschen Glück würde auch er es geschafft haben.
    Jemand knurrte hinter ihm. Schmerz brach in seinem Rücken aus wie von einem Tritt in die Nieren. Es war ein weiterer Stein, aus großer Nähe geworfen. Mit einem Fluch wirbelte er Shahe herum und stellte sich der Bedrohung. Die jungen Männer waren hinter ihm wieder zusammengelaufen und hielten Waffen in den Händen.
    Er streckte seinen Schwertarm aus; die Klinge rauchte von der Kraft, die durch ihn pulste.
    »Zurück!«, fauchte er.
    Der Vorderste der jungen Männer grinste. Er hielt einen Stein in der Hand, nahm den Arm zurück, bereit zum Wurf. Gair sammelte weiteren Sang zum Schutz gegen den Aufprall,
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