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Die wilde Gärtnerin - Roman

Die wilde Gärtnerin - Roman

Titel: Die wilde Gärtnerin - Roman
Autoren: Milena-Verlag <Wien>
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Worauf Toni laut schnauft und das Gespräch beendet mit: »Du meine Güte, dann sperr dich eben ein. Ich wollte dir nur sagen, dass du was verpasst hast und es dir im Schwimmbad gefallen hätte, aber dann halt nicht, okay. Ich werde dich nie wieder fragen, hab’s verstanden. Ende und Themenwechsel.« Tonis gute Laune bleibt natürlich trotzdem ungebrochen. Nach dem Essen (Kohl mit Erdäpfeln und Spiegelei) geht sie in ihre Praxis.
    Sitze im Garten und atme den frischen Duft von kalter Luft, Hausbrand, Herbstmoder und schläfriger Brache ein. Das Sonnenlicht, das schräg in den Hof fällt, ist noch warm und weich, aber kaum verschwindet es, zieht Frost aus der Erde hoch. Die Stadtgeräusche außerhalb des Hofs werden langsamer, genau wie die Rufe der Spatzen aus dem Holunderstrauch. In meinem Klo-Häuschen ist Restwärme zwischen den getrockneten Kräutern gespeichert, aber bald werde ich im dicken Mantel kacken müssen, weil Winter durch die Holzbretter fährt.
    Drüben nichts Neues: Wohnung leer, dunkel, ein Möglichkeitsraum.
    +++ Ausscheiden der Griechen aus dem Euro? +++ Ex-Innenminister unter Korruptionsverdacht +++ Wirtschaftswachstum für 2012 in EU minus 0,5 Prozent +++ außergerichtliche Einigung im Vergewaltigungsprozess von Ex-IWF-Chef fallen gelassen – Anklage wegen Zuhälterei aufrecht +++ 600 Milliarden Euro für Italien +++

VERHÖRPROTOKOLL, ANTONIA STRABECK, 24. JULI 2012:
(Zeichenerklärung:

Gedankenpause
 
...
Zögern / Unsicherheit
 
[...]
Frage des ermittelnden Staatsanwalts)
    Mein Name ist Antonia Strabeck. Ich bin 30. Shiatsu-Therapeutin und Trauerund Sterbebegleiterin. Ehrenamtlich leite ich eine Seniorengruppe. Wohnhaft in 1080 Wien, Lerchengasse 19, Tür 2.
    [...] Meine Beziehung zu Helen Cerny? – Geht’s also um sie, oder was? Das ganze Theater wegen Helen? Das kann nicht Ihr Ernst sein, oder? Sie haben diese Wahnsinnsaktion wegen Helen gestartet? Was soll das? Was wollen Sie von ihr?
    [...] Okay, okay, hab verstanden, keine Sorge, ich kooperiere mit Ihnen, ich beantworte ja Ihre Fragen. Aber verwunderlich ist das Ganze schon, etwas überdimensioniert, wenn Sie mich fragen.
    [...] Ja, gut, also ... meine Beziehung zu Helen? – Kann als beste Freundin, Aufpasserin oder Unterhalterin bezeichnet werden. [...] In der Wohnung neben ihr, seit bald drei Jahren. Ich seh sie fast täglich, kümmere mich um sie. Also – ich versuche es zumindest. [...] Kennen tu ich sie seit der Volksschule.
    [...] Nein, meistens bleibt sie zuhause. Ich kann sie nur selten, eigentlich so gut wie nie nach draußen locken. [...] An die frische Luft geht sie schon. Sie ist jeden Tag in ihrem Garten. Aber das Haus verlässt sie nicht. [...] Sie sagt, die Welt da draußen interessiere sie nicht, außerdem habe sie alles, was sie benötigt. In Wahrheit ist das Problemfeld natürlich etwas komplexer. [...] Ich erledige ihre Einkäufe. Es handelt sich nur um Kleinigkeiten. Obst und Gemüse baut sie im Garten an, da ist sie ziemlich autark. Alle zusätzlichen Nahrungsmittel und so was wie Bücher und Brennholz besorge ich. Also an materiellen Dingen hat sie alles, was sie braucht.
    [...] Das wollen Sie wissen? Sind Sie sicher? Na ja ... ufff ... die Erklärung würde lange dauern. [...] Okay, also, Helen hat da so ihre eigene Philosophie, würd ich sagen. Sie ist jetzt keine Menschenhasserin in dem Sinn. Sie hat eher so eine leichte Verachtung parat, gemischt mit dem Wunsch im menschlichen Auf und Ab nicht mitmachen zu müssen. Was bei ihren bisherigen Erfahrungen nicht weiter verwundert. Aber völlig wurscht ist ihr das Außenleben auch wieder nicht. Also, sie liest viel, hört Radio, surft im Internet und von mir erfährt sie, was sich rund um ihr Haus so tut. Helen schaut nicht den ganzen Tag gegen die weiße Wand, so dürfen Sie sich das nicht vorstellen. Sie nimmt schon am Geschehen teil. Aber mit Abstand. Verstehen Sie?
    [...] Tagesablauf? – normal, würd ich sagen. Aufstehen, duschen, frühstücken ... na ja, da gibt’s was, das wird für Sie absonderlich klingen. Helen hat eine Komposttoilette im Garten – die ist quasi Hauptbestandteil ihrer Philosophie. Sie wissen, was das ist? [...] Genau, man trennt Kot von Urin, und gewinnt dadurch nach einiger Zeit Humus. Perfekten Dünger. Das ist Helen sehr wichtig. Eigentlich ist das das Einzige, was ihr wichtig ist.
    [...] Nein, einer geregelten Erwerbsarbeit, wie Sie das nennen, geht sie nicht nach. Ihr gehört ja das Haus, sie lebt von den Mieteinnahmen.
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