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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes
Autoren: Ulrich Hefner
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eingenistet. Vorerst, so lange, bis sie etwas Passendes gefunden hatte. Die Endgültigkeit sprach aus diesen Worten. Hart und unnachgiebig. Dabei hatte er sich bemüht, hatte ihre Launen über sich ergehen lassen, hatte still gehalten, wo er am liebsten widersprochen hätte.
    An diesen verfluchten Feiertagen, wenn er sich nicht mit Arbeit ablenken konnte, war seine Sehnsucht unerträglich.
    Er schaute auf den Tisch. Dort lag das Telefon, in greifbarer Nähe, damit er keine Sekunde versäumte, falls Paula doch noch anrufen würde. Doch der Apparat schwieg eisern.
    Das Schicksal war in den letzten Wochen hart mit Martin Trevisan ins Gericht gegangen. Kurz nach Grits Auszug hatte er seinen Vater beerdigen müssen. Ein Schlaganfall. Grit war noch nicht einmal zur Beerdigung gekommen. Als er sie am Telefon gebeten hatte, wenigstens Paula zu schicken, hatte sie geantwortet: »Du kannst sie ja abholen und am Abend wieder vorbeibringen.« Das hatte ihn schwer getroffen. Wie hätte er das bewerkstelligen sollen? Schließlich lagen alle Vorbereitungen zur Bestattung seines Vaters bei ihm. Niemand aus der Familie konnte ihm dabei helfen. Doch er hatte nichts gesagt. Er hatte einfach aufgelegt.
    Trevisan goss sein Glas voll. Der Wein machte ihn müde und würde helfen, auch diesen Tag zu überstehen. Er hob seinen schweren Kopf. Es war mittlerweile zehn Uhr. Jetzt würde ihn Paula bestimmt nicht mehr anrufen. Er dachte daran, was sie wohl gerade tat, und ob sie sich über das Barbie-Puppenhaus, das er ihr geschickt hatte, auch wirklich freute. Falls Grit es überhaupt unter den Weihnachtsbaum gestellt hatte.
    Seine Gedanken zerflossen in einer dumpfen und trägen Dunkelheit. Er leerte das Glas, erhob sich und schwankte nach oben. Das schnurlose Telefon hielt er fest umklammert in seiner Hand.
    *
    Kriminaloberrat Kirner vom Staatsschutzdezernat saß in der Schützenstraße in seinem Büro im dritten Stock und schaute hinaus in den Innenhof. Dort waren drei Mechaniker damit beschäftigt, einen zerbeulten Streifenwagen von einem Abschleppwagen zu hieven. Sie hatten alle Hände voll zu tun, denn die Räder an dem zerknautschten Opel Omega waren nicht mehr rollfähig und der Kran am Abschleppwagen konnte die Last offenbar nicht heben.
    »Ich glaube nicht, dass Esser die Explosion überlebt hätte«, sagte Köster, ein Mitarbeiter der Kriminaltechnikabteilung.
    »Und die Technik?«
    Köster grinste. »Banal, eine Negativschaltung. Sobald die Alufolie keinen Kontakt mehr hat, ist der Widerstand abgeschaltet und der Strom kann fließen. Lernt man in den ersten beiden Wochen Elektrotechnik am Berufskolleg.«
    »Das heißt also, es waren keine Profis?«
    »Es gehört viel Konzentration und Feingefühl dazu, mit Kaliumchlorat und Thermit zu hantieren. Aber die technischen Kenntnisse, die man braucht, sind eher bescheiden. Die Bediensteten hatten Glück, dass es draußen kalt und feucht war und der Brief wohl schon einige Zeit im Briefkasten heruntergekühlt worden war. Als wir das Zeug im Labor hatten, war es schon äußerst aggressiv.«
    »Was habt ihr über den Briefumschlag herausgefunden?«
    Köster griff nach seiner Akte und blätterte in den Seiten. »Die Umschläge sind aus Umweltpapier. Sie werden in Dänemark hergestellt und in Dritte-Welt-Läden vertrieben. Nicht gerade Massenware, aber weit verbreitet. Die Briefmarken waren interessanter. Sie reichen nicht für die Umschlaggröße und das Gewicht und waren nicht abgestempelt. Wir gehen davon aus, dass der Brief nicht mit der Post geliefert wurde. Wir haben sie abgelöst und hoffen, darauf DNA-Spuren zu finden. Außerdem wird der Innenumschlag, in dem sich das Thermit befand, gerade im Labor bedampft. Offenbar sind Fingerabdrücke darauf.«
    Mittlerweile hatten die Mechaniker den Wagen frei baumelnd am Kran aufgehängt. Das Auto schwankte bedrohlich.
    »Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?«
    »Gemach, gemach«, antwortete Köster. »Die Hälfte der Abteilung hat zwischen den Jahren Urlaub und das Erkältungswetter hat die übrige Hälfte stark dezimiert. Frühestens in drei Wochen haben wir eine DNA-Analyse auf dem Tisch. Vorher geht nicht viel. Wir haben auch noch den Mordanschlag auf die Kollegen in Osnabrück.«
    Kirner lächelte verächtlich. »Ich richte dem Mörder aus, dass wir wegen Neujahr geschlossen haben.«
    »Gibt es denn sonst keine Hinweise?«
    »Eine ganze Menge«, antwortete Kirner. »Das ist es ja gerade, was mich stutzig macht.«
    *
    Das Flugzeug
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