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Die Wiederkehrer

Die Wiederkehrer

Titel: Die Wiederkehrer
Autoren: Kooky Rooster
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Ihnen zusammengearbeitet zu haben. Die Unterlagen kommen in den nächsten Tagen mit der Post.“ Mit diesen Worten schob er Niko zur Tür hinaus und schlug sie hinter ihm zu.
    Die Blicke der Kollegen verrieten, dass sie Bescheid wussten. Ihnen blühte dasselbe Schicksal und sie wandten sich von Niko ab, als wäre eine Kündigung ansteckend. Kein Abschied. Kein Gruß. Kein tröstendes Wort. Niko erinnerte sich an die besseren Zeiten dieser Firma. Wenn ein Mitarbeiter die Druckerei verlassen hatte, gab es eine kleine Abschiedsfeier, Sekt, Brötchen, Tränen und gute Wünsche. Niko sah sich um. Plötzlich waren alle weg, hatten sich in einem der hinteren Büros verkrümelt. Kollegen, mit denen er sieben Jahre zusammengearbeitet hatte. Die er gemocht hatte, mit denen er sich gut verstanden hatte. Keiner war da, um Niko zu verabschieden, private Telefonnummern und E-Mail Adressen zu tauschen, damit sie in Kontakt bleiben konnten.
    Immerhin musste sich Niko für das Sterben seiner Mutter nicht extra freinehmen, dachte er. Sogleich schämte er sich für diesen Gedanken.
    Wie einsam so ein Parkplatz nach Dienstbeginn wirken konnte. Niko hätte jetzt gerne
irgendjemanden
getroffen, mit dem er reden konnte. In seinem Zustand hätte er sogar einen völlig Fremden angesprochen. Mit Karin konnte er ja nun nicht mehr über die Kündigung oder den Zustand seiner Mutter sprechen, und mit den Kollegen oder seiner Mutter nicht über die Trennung von Karin. Es war, als würde sich die Welt weiterdrehen, er aber an derselben Stelle stehenbleiben und ruckartig aus ihr heraus gehoben. Hatte er sich jemals einsamer gefühlt? Vermutlich – aber war er dabei auch wirklich allein gewesen? Nein. Wie luxuriös doch Gefühle der Einsamkeit waren, wenn man wusste, dass im Fall des Falles jemand da war. Wenn man sich Gesellschaft nur aus Stolz versagte, dem temporären Vergnügen an Leid. Jetzt, wo Niko
wirklich
allein war, war es nichts weiter als eine gruselige, dumpfe Leere. Angst zu verschwinden, sich in Luft aufzulösen. Einfach so. Und niemand würde es merken, keinen interessieren.
    Egal wie krampfhaft Niko nachdachte, ihm fiel niemand ein, an den er sich wenden konnte. Früher hatte sein bester Kumpel Simon herhalten müssen, wenn es ihm dreckig ging oder er in Not war. Das war der einzige Mensch, mit dem er wirklich gut konnte, dem er vertraute. Aber der hatte sich schon vor Jahren rar gemacht, als er bei den Anonymen Alkoholikern seine jetzige Frau und Mutter seiner Tochter kennengelernt hatte. Danach hatte es nur noch Ben gegeben. Mit dessen Tod hatte sich auch der gemeinsame Freundeskreis zerschlagen. Niko war nicht besonders gut darin, neue Kontakte zu knüpfen und sie zu halten und hatte sich an Karins Freundeskreis drangehängt. Aber Karins Freunde hatten den großen Nachteil, Karins Freunde zu sein – für die war er sowieso schon lange der gefühllose Arsch, von dem sich Karin aus unerfindlichen Gründen nicht trennte.
    Niko stieg in sein Auto, um die Reise in die über hundert Kilometer entfernte Stadt anzutreten, in der seine Eltern lebten und in deren Krankenhaus seine Mutter gerade im Sterben lag. Und danach? Was passierte nach ihrem Tod? Sollte Niko seinen Vater pflegen? Den Arsch, der ihn durch die Kindheit geprügelt hatte? Aber was gab es für eine Alternative? Ohne Job, ohne Wohnung und ohne Geld – denn die fehlenden Gehälter, das ahnte Niko, auf die würde er noch gut ein Jahr warten müssen. Und dann war da noch … Oh Gott!
    Niko hasste das Arbeitsamt – er hatte regelrecht Panik davor – und das war noch eine milde Untertreibung. Genau so stellte er sich das Fegefeuer vor. Bürokratisch organisierte Demütigung, ein Moloch, der Menschenwürde fraß, endlose Gänge hinab bis an die Zerrüttung der Existenz. Organisiertes und von oben abgesegnetes Mobbing, strukturiertes Verwehren von Ansprüchen auf Hoffnung oder Entfaltung. Mit dreifachem Durchschlag und Siegel beglaubigtes Aberkennen der Menschen- und Bürgerrechte. Saubere, wohlformulierte Entlassung in die Vogelfreiheit, stigmatisiert und zum Sündenbock gemacht, auf den jeder
ehrliche und hart arbeitende Bürger
treten und spucken durfte. Der Arbeitslose war der Teppich in der Hierarchie der Gesellschaft. In manchen Zonen des Systems herrschte noch tiefstes Mittelalter. Das Arbeitsamt war eine solche Zone.
    Auf der Autobahn kam Niko dann der erlösende Gedanke. Warum brachte er sich nicht einfach um? Das war
die
Lösung. Von seinem Leben erwartete er sich
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