Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wiederkehrer

Die Wiederkehrer

Titel: Die Wiederkehrer
Autoren: Kooky Rooster
Vom Netzwerk:
zuvor gestanden, wie unfassbar verliebt sie damals in ihn gewesen wäre und es so schade fände, dass diese Gefühle nun verschollen waren. Niko saß hilflos da, wie gelähmt, und tat sich ihre Heulerei an. Plötzlich wurde sie ganz still, hörte auf zu schniefen und fragte leise: „Warst du in mich verliebt, damals, als wir zusammenkamen?“ Wieder wäre das eine günstige Gelegenheit gewesen, unaufrichtig zu sein. Niko nutzte sich nicht und damit war die Sache für Karin beendet. Die
'Sache'
, das war ihre Beziehung, und damit wurde die dramatische Trennungsarie eingeleitet.
    „Zehn Jahre, du Arsch, du hast mir zehn Jahre meines Lebens gestohlen!“, warf sie ihm an den Hals, tobte und schrie und holte ein Vergehen nach dem anderen aus dem gut gefüllten Vorratsschrank seiner Verfehlungen. Niko konnte sie sogar verstehen. Es hätte ihn auch gewurmt, sich so viele Jahre selbst etwas vorgemacht zu haben. Aber was konnte
er
denn dafür? Es war doch nicht
seine
Schuld, dass er sich nicht in sie verliebt hatte! Sollte er etwa lügen, nur damit es ihr besser ging? Vermutlich wäre das sogar eine vernünftige Entscheidung gewesen, aber Entscheidungen waren nicht Nikos Stärke. Ja und Amen sagen zu allem, was Karin vorschlug, oder überhaupt
irgendjemand
vorschlug, das war schon viele eher sein Ding. Niko wollte es nicht komplizierter machen, als unbedingt notwendig, trottete daher ambitionslos den Bedürfnissen anderer hinterher. Nicht ein einziges Mal hatte er in all den Jahren den Kopf gehoben, aufgesehen, sich dafür interessiert, wohin er überhaupt unterwegs war.
    Nun stand er vor dem Abgrund. Selbst schuld.
    Wenn er Karin nicht mehr hatte, wer kümmerte sich dann um alles? Sie hatte die Sache mit der Miete, Strom und Gas, Internet, Handy, Steuererklärungen und Arztterminen geregelt und ihm damals sogar die Bewerbungsunterlagen erstellt. Karin drängte ihn regelmäßig dazu, um eine Gehaltserhöhung anzusuchen und legte Niko sogar die passenden Argumente bereit, die er bei seinem Chef vorbringen konnte. Wie hatte er nur so unselbständig werden können! Es hatte sich eingeschlichen. Niko hatte Karin nichts recht machen können, war die Sachen anders angegangen, als sie sich das vorgestellt hatte, also hatte sie sie ihm aus der Hand genommen. Immer. Überall. Sie so gemacht, wie
sie
es brauchte und Niko hatte nur noch auf Befehle gewartet. Trag den Müll runter, aber nimm den linken Eimer. Fahr das Auto in die Werkstatt, der Herr Sowieso weiß Bescheid, was gemacht werden muss. Heute hast du um achtzehn Uhr einen Zahnarzttermin. Es war bequem gewesen. Praktisch. Unbequem wurde es erst, als sie begann, ihm mangelnde Initiative vorzuwerfen.
    „Du brauchst doch nur zu piepsen, wenn du was brauchst, habe ich denn jemals etwas
nicht
ausgeführt?“ Das war seine Antwort gewesen und Niko hatte nicht begriffen, was Karin daran so furchtbar aufgeregt hatte.
    „Bist du glücklich?“, wollte sie gestern Abend wissen. Nach zehn Jahren das erste Mal.
    „Naja, ich lebe“, antwortete Niko nach einer langen Pause.
    „Das heißt, du bist unglücklich?“, bohrte sie nach, doch Niko schüttelte bloß den Kopf. Nein, unglücklich war er nicht – eher …
abgestumpft
. Niko erwartete gar nicht, glücklich zu sein. Das war eine geniale Methode, um nicht unglücklich zu werden. Zumindest, wenn man das duale Prinzip bedachte. Augen zu und durch, immer geradeaus, nicht nach links und rechts sehen, sich gegen keine unliebsame Entwicklung sträuben, hinnehmen und geduldig sein. War das nicht die Philosophie einer ganzen Weltreligion? So verkehrt konnte das doch nicht sein!
    Als Niko allerdings später in der Nacht wach lag – auf dem Sofa natürlich, denn nun waren sie getrennte Leute – stellte er fest, dass er sich all die Zeit nur etwas vormacht hatte. Er war todunglücklich! Seit langem schon. Niko konnte nicht einmal sagen, wann es genau angefangen hatte. Vielleicht war er es schon immer gewesen, bereits als Kind. Unsinn! Er hatte eine glückliche Kindheit. Zumindest aber eine gewöhnliche. Probleme gab es doch überall. Vielleicht wäre er auch ohne Schläge gediehen, und auf die Schuldgefühle, die ihm seine Mutter Tag um Tag eingepflanzt hatte, hätte er auch liebend gern verzichten können. Aber hatte nicht jeder sein Päckchen zu tragen? Wem nützte es, darüber zu klagen? Es war, wie es eben war und es ging ja irgendwann vorüber. Das war das Überlebenskonzept seiner Kindheit gewesen, jenes, das er in der Schule
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher