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Die Wiedergeburt

Die Wiedergeburt

Titel: Die Wiedergeburt
Autoren: Brigitte Melzer
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Daeron wussten zumindest, was sie mit ihrem wiedergewonnenen Leben anfangen würden. Alexandra hingegen hatte nie darüber nachgedacht, was nach der Zeit kommen sollte, wenn der Unendliche und seine Brut zur Strecke gebracht waren. Seit ihrem dreizehnten Lebensjahr jagte sie Vampyre. Zehn Jahre, in denen sie nie etwas anderes getan hatte, als ihrem Wunsch nach Vergeltung zu folgen. Sie hatte ihre Rache gehabt. Nun konnte sie endlich beginnen, ihr eigenes Leben zu leben. Doch was für ein Leben sollte das sein? Sie hatte keine Familie, keine Freunde und kein Zuhause. Es gab keinen Ort, an den sie gehen konnte, und niemanden, der auf sie wartete.
    Ein Klopfen an der Tür schreckte sie aus ihren düsteren Gedanken. »Wer ist da?«
    »Ich bin es, Gavril«, erklang die vertraute Stimme.
    »Komm herein.«
    Er trat ein und schloss die Tür hinter sich. Das kurze braune Haar stand ihm in feuchten Strähnen vom Kopf ab. Regenwasser lief über seinen Mantel und sammelte sich in einer kleinen Lache auf den Holzdielen, trotzdem machte er keine Anstalten, den Mantel abzulegen. Einen Moment musterte er sie unentschlossen. In seinen Augen lag die Frage nach ihrem Befinden, doch sie kam ihm nicht über die Lippen.
    »Du bist eine Jägerin«, sagte er stattdessen. »Warum hast du ihn entkommen lassen?«
    Alexandra brauchte nicht nachzufragen, wen er meinte. Sie wusste es auch so. »Ich war es ihm schuldig«, sagte sie schlicht.
    Gavrils Mantel versprühte Wassertropfen, als er näher kam. »Vladimir ist wütend.«
    »Es ist vorbei, Gavril. Packt eure Sachen und geht nach Hause.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir werden ihn jagen. Wirst du uns begleiten?« Das Flehen und die Sehnsucht in Gavrils Augen erstaunten sie. Er wusste, dass sie sich mit Vampyren verbündet und einem von ihnen sogar zur Flucht verholfen hatte, und trotzdem wollte die Zuneigung nicht aus seinem Blick weichen.
    »Ich hatte meine Rache«, sagte sie. »Dieses Leben liegt jetzt hinter mir.«
    »Aber du gehörst zu uns!«, rief er und griff nach ihrer Hand. »Zu mir.«
    Alexandra zog ihre Hand zurück. »Du bist mein Freund, Gavril, aber zwischen uns wird nie mehr sein als das.«
    Er fuhr zurück, als hätte sie ihn geschlagen. Dann machte er plötzlich kehrt. Anstatt jedoch aus der Kammer zu stürmen, wie sie es erwartet hätte, begann er aufgeregt hin und her zu laufen, ehe er abrupt stehen blieb und sie ansah. »Dieses Kreuz … hast du es noch?«
    Alexandra zwang sich, ihren Blick von der Stelle fernzuhalten, an der sie es verborgen hatte. »Ich habe es zerstört.«
    Gavrils Blick schweifte durch den Raum, als wolle er sich mit eigenen Augen von der Wahrheit ihrer Worte überzeugen. In diesem Moment wusste Alexandra, dass er nicht aus freien Stücken gekommen war. Vladimir hatte ihn geschickt. Er wusste, dass sein Bruder der Einzige war, dem es womöglich gelang, sie davon zu überzeugen, ihnen das Kreuz zu übergeben. Diese drei Männer, ihre einstigen Gefährten, waren der Schatten, der Lucian in ihrem Albtraum verschlungen hatte! Vladimir würde alles daransetzen, Lucian zu vernichten.
    »Hast du mir sonst noch etwas zu sagen?«
    Gavril betrachtete sie, als sähe er sie zum ersten Mal. »Ich hatte gehofft, der Tod des Unendlichen würde dich verändern, doch du bist noch immer so kalt wie zuvor.« Er verneigte sich knapp und ging.
    Alexandra wartete, bis seine Schritte auf der Treppe verklangen, ehe sie sich dem Bett zuwandte. So einfach mache ich es euch nicht! Sie zog ihren Silberdolch aus dem Hosenbund und ließ sich neben dem Bett auf die Knie nieder. Vorsichtig schob sie die Klinge zwischen zwei Bodendielen und hebelte ein loses Brett heraus. Darunter lag das Kästchen mit dem Kreuz. Behutsam nahm sie es heraus und stellte es vor sich ab. Ihr Blick wanderte über die schmucklose Oberfläche, ehe sie den Deckel hob.
    Das prachtvolle Ebenholzkreuz ruhte auf einem Futteral aus dunklem Samt. Andächtig strich Alexandra über die goldenen Ornamente, folgte mit den Fingerspitzen den verschlungenen Mustern bis zu jener schimmernden Fassung, die einen verwitterten Holzsplitter von der Länge einer Dolchklinge hielt. Der Legende nach war dieser Splitter ein Stück des Wahren Kreuzes, jenes Kreuzes, an dem einst Jesus gestorben war. Ihm wohnte eine Kraft inne, die selbst die mächtigsten aller Vampyre verwundbar werden ließ.
    Ihr Blick fiel auf das spitz zulaufende Ende. Lucian hatte es seinem finsteren Zwilling ins Herz gestoßen und ihn damit vernichtet. Selbst
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