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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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weniger gute. Ich
     werde die Welt von Laotse und Buddha, die Religion des Juden- und Christentums und die Botschaft Muhammads dem Leser so vorstellen,
     wie sie sich mir darstellt. Gewiss nicht, ohne dass ich mich rundum kundig gemacht hätte! Eine gewisse Unschärfe lässt sich
     trotzdem nicht vermeiden. Nicht mal seine eigene Religion kann ein einzelner Mensch ganz erfassen. Dazu ist jede Religion
     in sich zu reich, zu vielgestaltig. Religionen sind Kulturprodukte, an denen Hunderte von |13| Generationen gearbeitet haben. Auch deswegen ziehe ich eine subjektive, persönliche Sichtweise vor. Sie ist ehrlicher als
     ein Lehrbuch.
    Meine Vorbehalte gegenüber dem Begriff von Religion habe ich mehrfach angesprochen. Dennoch muss ich von dem Wort Gebrauch
     machen, es lässt sich nicht vermeiden, obwohl manche Religionen das Wort überhaupt nicht kennen. Es stammt aus unserer westlichen,
     griechisch-lateinischen Kultur. Und die dominiert allein schon mit ihrer Zeitrechnung – vor oder nach Christus – innerhalb
     der Weltkulturen als Leitkultur. Nur innerhalb der westlichen Kultur kann ich meinen Begriff von Religion definieren. Ein
     Hindu beispielsweise, in dessen Sprache das Wort Religion nicht existiert, würde es ganz anders tun. Was also verstehe ich
     unter Religion?
    Mir gefällt, was Thomas Mann in seinem Roman
Joseph und seine Brüder
dazu zu sagen hat:
    »Gewissermaßen war Abraham Gottes Vater. Er hatte ihn erschaut und hervorgedacht, die mächtigen Eigenschaften, die er ihm
     zuschrieb, waren wohl Gottes ursprüngliches Eigentum, Abraham war nicht ihr Erzeuger. Aber war er es nicht dennoch in einem
     gewissen Sinne, indem er sie erkannte, lehrte und denkend verwirklichte? ... Darum blieb Gott aber doch ein gewaltig Ich sagendes
     Du außer Abraham und außer der Welt ... Gott aber hatte seine Fingerspitzen geküsst und zum heimlichen Ärger der Engel gerufen:
     ›Es ist unglaublich, wie weitgehend dieser Erdenkloß mich erkennt! Fange ich nicht an, mir durch ihn einen Namen zu machen?
     Wahrhaftig, ich will ihn salben!‹«
    Den Text lasse ich so stehen. Die Leserinnen und Leser sollen ihn auf sich wirken lassen. Meine eigene Religionsauffassung
     veranschaulicht die Geschichte vom Paradies, mit der die Hebräische Bibel, das Alte Testament der Christen, beginnt. Bibelwissenschaftler
     datieren diesen Text in das 8. Jahrhundert vor unserer Zeit.
    »Jahwe Gott« formte am Anfang den Menschen aus Staub von der Erde, hauchte ihm Lebensatem zu und versetzte ihn in eine Oase,
     die »Jahwe Gott« gepflanzt hatte, damit der Mensch sie hege und pflege. Und »Jahwe Gott« sprach: »Es ist nicht gut, dass der
     Mensch allein sei! Ich will ihm ein entsprechendes Gegenüber machen.« Noch ist der Mensch allein mit sich. Inmitten der pflanzlichen
     Kreatur erfährt er sein Fremd – und Anderssein. »Da bildete Jahwe Gott aus dem Erdboden jedes wildlebende Tier des Feldes
     und jedes fliegende Geschöpf der Himmel, und er begann, sie dem Menschen zu bringen, um zu sehen, wie er jedes nennen würde.«
     Aber es bleibt bei dem Fremd- und Anderssein, der Mensch ruft den Namen der Tiere, doch sie antworten |14| nicht in seiner Sprache. »Da ließ Jahwe Gott einen Tiefschlaf auf den Menschen fallen«, bildete aus des Menschen Gebein eine
     Menschenfrau und brachte sie dem Menschen. »Da sagte der Mensch: Endlich! Diese da ist Bein von meinem Gebein!« Das Fremd-
     und Anderssein war aufgehoben, Adams entsprechendes Gegenüber ward endlich gefunden!
    Wir kennen den traurigen Fortgang der Geschichte! Adam und Eva essen von der verbotenen Frucht. Darüber gehen ihnen die Augen
     auf. Und ihnen wird bewusst, dass sie zum »Guten wie zum Bösen« fähig, durch die Existenz des Anderen gefährdet, verwundbar
     sind. »Da flochten sie Feigenblätter zusammen und machten sich Lendenschurze.« Das erlösende Gegenüber wird zur Bedrohung.
    Jahrtausende später, zu unserer Zeit, schreibt der französische Philosoph Jean-Paul Sartre: Die Erfahrung des Angeblickt-Werdens
     wirft mich auf mich selbst zurück, der Blick des anderen ist mein Richter. »Mein eigentlicher Sündenfall ist die Existenz
     des anderen.« Seit ihnen die Augen aufgingen, ist jeder Mensch noch radikaler allein, verdammt zum ewigen Fremd- und Anderssein.
     Auch und gerade Gott kann Adam und Eva kein »entsprechendes Gegenüber« sein, denn als sie seine Stimme hörten, »versteckten
     sich der Mensch und seine Menschen-Frau vor dem Angesicht Jahwes inmitten
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