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Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann

Titel: Die Weltreligionen. Vorgestellt von Arnulf Zitelmann
Autoren: Arnulf: Zitelmann
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mörderischer
     Anschläge. Ein Vetter hetzte den wilden Elefanten Nalagiri auf den Erleuchteten. Auch gegen Moses intrigierten seine eigenen
     Verwandten. Aaron und Miriam wiegelten die Juden gegen ihren Anführer auf, und um ein Haar wäre Moses gesteinigt worden. Jesus
     wurde gekreuzigt, Muhammad, der Prophet, musste seine Heimatstadt Mekka fluchtartig verlassen.
    Solche biografischen Übereinstimmungen sind kein Zufall. In jedem religiösen Genie steckt auch ein Religionskritiker. Unausweichlich,
     denn der ultimative Horizont der Dinge ist größer als unser Kopf. Egal wie die Menschen es nennen, das Tao des Laotse, das
     Nirwana von Buddha, der Jahwe-Gott Israels, der Allah des Koran oder der Jesus Christus des Neuen Testaments. Alles sind Annäherungen,
     keine letzten Wahrheiten. Darum muss die Religion gegenüber sich selbst kritisch sein und selbstkritisch bleiben.
    Das ist ein weiterer Grund, warum mir das Wort »Religion« eigentlich so missfällt. Wir verbinden damit ihren Anspruch, im
     Besitz ewiger Wahrheit zu sein. Doch ewige Wahrheiten gibt es nicht. Schließlich ist alles unterwegs, noch im Werden. Nichts
     ist schon endgültig ausgemacht und entschieden. Und außerdem: Ewige Wahrheiten sind Killer. Sie leben vom Blut ihrer Opfer.
     Die Fernsehnachrichten dokumentieren täglich jene Grausamkeiten, die aufs Konto von totalitären Religionsansprüchen gehen.
     Die gut gemeinte Belehrung, ich dürfe über den Missbrauch von Religion ihr wahres Wesen nicht verkennen, hilft mir gar nichts.
     Im Gegenteil. Wer Religion doppelte Moral unterstellt, bringt sie vollends um allen Kredit.
    »Es ist das Beste an Religion, dass sie Ketzer erzeugt«, oppositionelle Geister, Abweichler, Dissidenten, notierte der Philosoph
     Ernst Bloch im 20. Jahrhundert. Wer wollte das bestreiten? Alle großen Religionsstifter waren große Ketzer, Aufrührer in Wirklichkeit.
     »Neuerer« kennen die meisten religiösen Traditionen nur als Schimpfwort, doch was wären die Religionen ohne ihre Erneuerer!
     Und die gab es in jeder Religion, sonst wären sie längst alle vom Erdboden verschwunden. Es ist die Aufgabe der Theologen,
     die Balance zwischen Tradition und Reformation immer neu auszutarieren, und das gelingt |12| ihnen mehr oder weniger gut. Tatsache bleibt: Jede Religion schreibt ihre Geschichte ständig neu. Heute gilt das erst recht,
     weil der Globalisierungsprozess sich zusehends beschleunigt und keine Religion auf der Welt sich mehr von den übrigen abschotten
     kann. Der Dialog zwischen den Weltreligionen ist endlich in Gang gekommen. Mein Buch verstehe ich als Teil dieses Prozesses.
    Dass ich es gerade jetzt schreibe, hat einen persönlichen Grund: die kürzliche Einweisung in eine Klinik. Ich lebte seit Jahrzehnten
     ärzte- und medikamentenfrei, doch jetzt lag ich plötzlich auf dem Operationstisch. Noch dazu unter Krebsverdacht.
    Schläuche, Infusionsbeutel, Krankenschwestern, Pfleger, Ärzte um mich herum. Ich konnte nicht fassen, wie mir geschah! Hier
     und heute, an meinem Schreibpult, blicke ich fast mit Wehmut auf jene Wochen zurück. Ohne Termine, keine Korrespondenz, ohne
     Computer, Telefon, keine Schreibarbeiten, keine Lese- und Vortragsreisen. Statt ständig unterwegs zu sein, lag ich im Bett
     und spürte, dass mein Leben endlich ist. Eine Woche später kam der erlösende Befund: kein Krebs. Doch ich hätte auch einen
     positiven Befund akzeptiert, ohne Bitterkeit, ohne die Frage: Warum gerade ich?
    Während jener Zeit entstand dieses Buch. Als ich die Klinik verließ, hatte ich es im Kopf fertig geschrieben. Ein gutes halbes
     Jahr später stehe ich jetzt am Schreibpult und bringe den Text zu Papier. Als Dankeschön, ein Gefühl ohne bestimmte Adresse.
     Doch es schließt die Leserinnen und Leser mit ein. Sie sind mein Gegenüber, während ich schreibe. Jedenfalls, ich wollte mich
     bedanken, bei wem auch immer. Ich hatte Glück im Unglück gehabt, mal wieder.
    Ich möchte mein Buch nicht abgehoben und abstrakt schreiben, sondern, wenn schon, auf der persönlichen Ebene, entlang meiner
     eigenen Biografie. Über Religion kann man nicht von außerhalb, nicht von oben herab schreiben. Jede Religion ist doch eine
     Art von Liebeserklärung. Anders gesagt, das religiöse Gefühl ist das Persönlichste, was ein Mensch besitzt. Ich wenigstens
     kann mich keinen Augenblick davon verabschieden.
    Ein »Handbuch der Weltreligionen« kann und will mein Buch nicht sein. Davon gibt es genug, sehr gute und
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