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Die Weltgeschichte der Pflanzen

Die Weltgeschichte der Pflanzen

Titel: Die Weltgeschichte der Pflanzen
Autoren: Wolfgang Seidel
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Hirse nach wie vor ein Grundnahrungsmittel, und in jüngerer Zeit gewinnt sie zudem durch amerikanische Neuzüchtungen zunehmend an Bedeutung als Futterpflanze.
    Hirse ist nicht gleich Hirse. Das Wort ist eher ein Sammelbegriff für recht verschiedene, ähnlich verwendete Getreidearten, die botanisch ganz verschiedenen Gattungen und Verwandtschaftskreisen angehören . Im Deutschen wird alltagssprachlich überhaupt kein Unterschied zwischen ihnen gemacht. Andere europäische Sprachen differenzieren etwas genauer zwischen verschiedenen Hirsegattungen. So beziehen sich englisch sorghum und französisch sorgho auf die afrikanische Sorghum-Hirse, die dort immer noch und sogar zunehmend eine ganz wichtige Rolle spielt. Englisch millet und französisch penicillaire meinen die Pennisetum-Arten, insbesondere die Perlhirse. Diese stammt zwar auch aus Afrika, konkret aus Westafrika (Nigeria und Kamerun), doch ihre größte Bedeutung hat sie in Asien. In Nordamerika gibt es ebenfalls originäre Hirsen.
    Das deutsche Wort »Hirse« ist verwandt mit griechisch kóros , was »Sättigung« und allgemein »Nahrung« bedeutet, sowie mitlateinisch crescere (»wachsen«, »zunehmen«). Auch der Name der römischen Ackergöttin Ceres dürfte wortgeschichtlich mit kóros (»Hirse«) in Verbindung stehen. Da religiöse Traditionen immer sehr weit zurückreichen und sich wenig verändern, bezog sich der ursprüngliche göttliche Schutz des Ackerbaus also womöglich zunächst einmal auf die Hirsesorten.
    Das korrespondiert mit den archäologischen Befunden. Paläobotaniker halten Hirsepflanzen für das älteste Nutzgetreide überhaupt, sowohl in Europa wie in Asien, insbesondere in China. Denn schon vor der »Einwanderung« von Einkorn, Emmer, Hafer und Gerste wurden Hirsekörner von einheimischen Pflanzen gesammelt. Sie sind auf dem ganzen eurasischen Kontinent (und in Afrika) heimisch. In China begann mit der Kultvierung von Hirsen zugleich der Ackerbau.
    Die ältesten sesshaften Kulturen Chinas befinden sich am Mittellauf des Gelben Flusses (Hwangho) in bergiger Gegend mit guten Lössböden. Die Provinzen Shanxi und Shenxi liegen etwa auf den gleichen Breitengraden wie das Mittelmeer. Sie bilden das maßgebliche Kerngebiet der chinesischen Kultur. Hier liegen die alte Hauptstadt Xian und nicht weit davon entfernt das Grab mit der berühmten Terrakotta-Armee des ersten Kaisers Qin, der 221 v. Chr. China erstmals einte. Tausende Jahre zuvor gab es hier bereits neolithische Siedlungen. Einzige Getreidearten dieser jungsteinzeitlichen Chinesen waren die Rispenhirse und die Borstenhirse. Sie blieben bis in die Gegenwart ein Grundnahrungsmittel der Chinesen, die sie in Flüssigkeit einweichen oder kurz aufkochen und dann als Brei oder Grütze essen. Der Reisanbau setzte erst etwas später ein, zunächst nur in Südchina. Außerdem war Reis lange Zeit nur für wohlhabende Schichten erschwinglich.
    Bei allen Hirsen sitzen die kleinen Hirsekörner nicht an Ähren, sondern an Rispen. Die Rispenhirse ( Panicum miliaceum ) gilt als die früheste domestizierte Art; ihre Heimat vermutet man in Zentralasien, konkreter vielleicht in der Mongolei. Da Hirsen überallauf der Welt vorkommen und die Getreidenutzung zeitlich sehr weit zurückreicht, sind eindeutige Zuordnungen dieser Art oftmals schwierig. Die andere wichtige Hirseart ist die in ganz Eurasien und in Nordafrika anzutreffende Borstenhirse ( Setaria ); die Grüne Borstenhirse ist ihre Wildform. Als Ort der ersten Kultivierung gilt das heutige Afghanistan. Hirsen haben eine rasche Vegetationszeit von 75 Tagen, daher sind sie für Halbnomaden gut geeignet. Um 5000 v. Chr. gelangten Kulturhirsearten in die Region des Schwarzen Meeres, wo sie von den gerade aus dem Nahen Osten zugewanderten Jungsteinzeitbauern im Donaubecken angebaut und anschließend nach Mitteleuropa weitergetragen wurden. Auch hier bildeten Hirsen dann jahrtausendelang ein Grundnahrungsmittel.
    Für die menschliche Ernährung spielt die Rispenhirse die bedeutendere Rolle, sowohl in Asien wie in Afrika. Diese findet sich schon bei den Bandkeramikern, also den ersten europäischen Ackerbauern (um 5000 v. Chr.). Borstenhirse ist seit der Ötzi-Zeit (um 3000 v. Chr.) und auch nur in dessen Lebensumfeld von Pfahlbauern am gesamten Nordrand der Alpen erstmals nachweisbar.
    Aus europäischer Warte wird oft übersehen, welche große Bedeutung Hirse für die Ernährung in Indien hat. Die Perl- oder Rohrkolbenhirse ( Pennisetum glaucum )
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