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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns
Autoren: Alan Weisman
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New York mit New Jersey verbindet, wie es fast der Fall war, wäre der Pumpenzug – und ein Großteil der Stadt – einfach überfordert gewesen.
    In einer verödeten Stadt gäbe es keine Paul Schubers und Peter Briffas, die von einer unter Wasser stehenden Station zur nächsten laufen, sobald mehr als fünf Zentimeter Regen fällt, wie es in letzter Zeit mit beunruhigender Häufigkeit geschieht, oder die manchmal Schläuche treppauf verlegen, um das Wasser in einen Gully oben auf der Straße zu pumpen, und die manchmal diese U-Bahn-Tunnel in Schlauchbooten befahren. Doch ohne Menschen gäbe es auch keinen Strom. Die Pumpen würden ihre Arbeit einstellen und nie wieder aufnehmen. »Wenn diese Pumpen ausfallen«, sagt Schuber, »steht das Wasser in einer halben Stunde so hoch, dass die Züge nicht mehr durchkommen.«
    Briffa nimmt seine Schutzbrille ab und reibt sich müde die Augen. »Bei Überschwemmung eines Abschnitts würde das Wasser in die benachbarten drücken. In 36 Stunden wäre hier alles abgesoffen.«
    Selbst wenn es nicht regnete, würde es nach dem Stillstand der Pumpen höchstens ein paar Tage dauern, schätzen sie. Dann beginnt das Wasser, das Erdreich unter dem Pflaster fortzuwaschen. Schon bald bilden sich Krater in der Straße. Da die Gullys nicht geräumt werden, entstehen an der Oberfläche einige neue Wasserläufe. Andere treten plötzlich auf, wenn die mit Wasser vollgesogenen Decken der U-Bahn-Schächte einstürzen. In zwanzig Jahren sind die wasserumspülten Stahlpfeiler, auf denen die Straße über den Linien 4, 5 und 6 der East Side ruht, verrostet und geben nach. Wenn die Lexington Avenue einstürzt, wird sie zum Flussbett.
     
    Doch schon lange zuvor zeigen sich im ganzen Stadtgebiet erhebliche Straßenschäden. Wie Dr. Jameel Ahmad, Leiter des Tiefbaufachbereichs am New Yorker Cooper Union College, erläutert, träten sie schon im darauffolgenden März auf. In jedem März schwanken die Temperaturen bis zu vierzig Mal um den Gefrierpunkt (der Klimawandel könnte diese Periode in den Februar vorverlegen). Jedes Mal lässt dieser wiederholte Wechsel von Gefrieren und Tauen Asphalt und Beton platzen. Wenn der Schnee taut, sickert Wasser in die frischen Risse. Sobald es friert, dehnt sich das Wasser aus und die Risse vergrößern sich.
    Es ist, als wollte sich das Wasser dafür rächen, dass es unter diese riesige Stadtlandschaft verbannt wurde. Fast jede andere natürlich vorkommende Verbindung zieht sich zusammen, wenn sie gefriert, nur die H 2 O-Moleküle verhalten sich umgekehrt – sie ordnen sich zu eleganten sechseckigen Kristallen an und nehmen bis zu neun Prozent mehr Raum ein als in flüssigem Zustand. Wir können uns kaum vorstellen, dass diese hübschen zerbrechlichen Kristalle die Kraft haben sollen, die Platten eines Bürgersteigs auseinanderzudrängen. Noch unwahrscheinlicher ist die Vorstellung, dass Wasserrohre aus zähem Stahl, die einem Druck von 530 Kilogramm pro Quadratzentimeter standhalten, explodieren, wenn das Wasser gefriert. Doch genau das geschieht.
    Wenn das Pflaster aufbricht und die Samen von Unkräutern wie Senf, Feldklee und Klebkraut vom Central Park herüberwehen, wurzeln sie in den neuen Rissen, die sich dadurch noch verbreitern. In der heutigen Welt ist die Stadtreinigung gewöhnlich sofort zur Stelle, beseitigt das Unkraut und füllt die Risse. Doch in einer Welt ohne Menschen gäbe es auch in New York niemanden mehr, der die auftretenden Mängel beheben könnte. Dem Unkraut auf dem Fuße folgt die sich am raschesten vermehrende exotische Art der Stadt, der Chinesische Götterbaum. Trotz ihres poetischen Namens sind diese Bäume rücksichtslose Eindringlinge, die in der Lage sind, sich in winzigen Rissen der U-Bahn-Tunnel anzusiedeln, so lange unbemerkt, bis ihr Blätterdach durch die Gitter der Bürgersteige kriecht. Wenn niemand mehr ihre Sämlinge beseitigt, hebeln binnen fünf Jahren mächtige Götterbaumwurzeln die verbliebenen Bürgersteige hoch und zerstören die Abwasserkanäle – die ohnehin schon mit all den Plastiktüten und dem Zeitungsbrei zu kämpfen haben, die niemand mehr forträumt. Wenn der Boden, der lange unter dem Pflaster verborgen lag, Sonne und Regen ausgesetzt ist, gesellen sich andere Pflanzenarten hinzu und schon bald trägt altes Laub zur weiteren Verstopfung der Gullys bei.
    Die ersten Pionierpflanzen müssen noch nicht einmal warten, bis das Pflaster zerbröckelt. Ausgehend von dem Schlamm, der sich in den Rinnsteinen
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