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Die Welt auf dem Kopf

Die Welt auf dem Kopf

Titel: Die Welt auf dem Kopf
Autoren: Milena Agus
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hätten sie einen noch eigenwilligeren Klang. Vielleicht weil der Sommer im September schon alt ist und unbedingt noch schnell genießen will, was noch zu genießen bleibt.
    Mrs. Johnson kam auch mit uns, und zwar im Bus, sie, die früher immer nur Taxi fuhr. Aber sie war jetzt nicht mehr so reich und musste sich von ihrer alten Gewohnheit verabschieden,ausschließlich Taxi zu fahren. An der Piazza Matteotti, der Endstation, stiegen wir in den Bus und fuhren zu unserem Lieblingsplatz fast am fernen Ende des Strandes, wo es keine Strandbuden mehr gab, dafür aber einen kleinen grün gestrichenen antiken Trinkbrunnen aus Gusseisen.
    In jenem September war der Poetto unser Zufluchtsort. Am Meer hatte die Zeit ihren ganz eigenen Rhythmus, losgelöst vom Alltag. An klaren Tagen verliehen die Sonnenstrahlen dem Wasser eine perfekte smaragdgrüne Transparenz. Kleine Marmorbrassen schwammen furchtlos um unsere Beine. Wenn wir früh am Morgen eintrafen, lugte das Kap Sella del Diavolo aus dem feinen Morgennebel hervor. Für uns waren diese Stunden am Strand wie die Rückkehr in jene vollkommene göttliche Welt, aus der zu stammen wir Menschen ahnen und nach der wir uns zurücksehnen.
    Drei Generationen gestrandeter Schiffbrüchiger, die alte Frau, das junge Mädchen und das Kind. Nunmehr sicher an einem weichen, weißen Sandstrand gelandet, gab es keine Probleme mehr. Johnson junior hatte recht, meine Eltern hatten sich in der Tat wie zwei unreife Heranwachsende benommen. Wie gern hätte ich ihnen das Meer gezeigt, nun, da ich es mit neuen Augen sah.
    Während wir auf unseren Handtüchern lagen und Giovannino glücklich am Strand entlanglief, als jagte er einer lohnenswerten Sache hinterher, beschwerte sich Mrs. Johnson über die lärmenden Großfamilien um uns herum. Siewollte nicht, dass ich jemanden von ihnen bat, auf unsere Sachen aufzupassen, damit wir drei zusammen ins Wasser gehen konnten, denn in ihren Augen war es ungehobeltes, lautes Volk.
    An einem dieser Tage vertraute sie mir an, dass auch sie, obwohl sie inzwischen eine alte verbitterte Frau sei, gern noch einmal einen Mann kennengelernt hätte, denn unser Herz sehne sich nun einmal nach Liebe. Und wenn man es sich richtig überlege, seien die späten Jahre genau das richtige Alter, um sich zu verlieben.
    »Warum?«, fragte ich.
    »Weil die Liebe in eurem Alter, deinem und Nataschas, früher oder später wieder zu Ende geht.«
    »Du meinst, auch zwischen Natascha und ihrem Freund wird es irgendwann aus sein?«
    »Genau das glaube ich.«
    »Und zwischen Johnson senior und Anna?«
    »Unter uns gesagt: Hast du das Gefühl, dass Anna Jazz liebt?«
    »Johnson senior liebt sie jedenfalls sehr. Ob sie Jazz mag, keine Ahnung. Sie liebt Kirchenlieder, die Beatles, Operettenarien. Allerdings ist mir aufgefallen, dass sie anfangs nie die Tür zumachte, wenn Johnson senior Geige spielte. Neuerdings macht sie sie jedoch zu. Als ich sie nach dem Grund fragte, antwortete sie, dass er sich bei geschlossener Tür besser konzentrieren kann.«
    »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.«
    »Du meinst also, dass auch ihre Liebe zu Ende gehen wird?«
    »Nein. Aber aus dem einzigen Grund, weil ihnen nicht genügend Zeit bleibt, einander überdrüssig zu werden. Und genau das ist der einzige Vorteil des Alters, und ich würde ihn auch gern noch genießen. Aber um mein Leben glanzvoll zu beschließen, werde ich mir einen anständigen Mann suchen, einen, der vernünftig ist und von dieser Welt, also das pure Gegenteil von Levi, und vielleicht auch, warum nicht, einen reichen, damit ich wieder Taxi fahren und meine Garderobe erneuern kann. Dieses ganze Drunter und Drüber hat auch in mir den Wunsch erweckt, ein wenig anders zu sein, nachdem ich immer so normal war.«
    »Meinst du, dass es zwischen Natascha und ihrem Freund zu Ende gehen wird, obwohl sie eine Sexgranate ist?«
    » Ma petite fille , du bist besessen von dieser Idee mit der Sexgranate und hast dir trotzdem deine wunderschönen Haare zu Stoppeln schneiden lassen.«
    »Weil ich gern ein Mann wäre.«
    »Damit du meinen Sohn erobern kannst? Malheureuse! Armes Ding! Glaub mir, auch Sex ist man irgendwann leid. Und wenn Natascha das Kind behalten sollte, wird zwischen ihr und ihrem Verlobten noch früher Schluss sein.«
    »Bestimmt wird Johnson junior sie überzeugen, es zu behalten, er ist schon dabei, etwas auszuhecken.«
    »Aber sicher, ihm fällt ja immer alles leicht. Und was soller deiner Meinung nach aushecken?
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