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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman
Autoren: Sabine Klewe
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will doch sicher, dass wir den Täter erwischen«, gab Spunte zurück.
    »Das ist ihm im Augenblick vollkommen egal. Es bringt ihm seine Tochter nicht zurück.«
    »Ich bin kein herzloses Arschloch, falls du das meinst«, verteidigte sich Spunte. »Ich habe auch Kinder. Gerade deshalb will ich den Kerl erwischen, der das getan hat.«
    Salomon setzte zu einer Erwiderung an, doch Lydia hörte nicht mehr zu, sondern marschierte auf die Treppe zu, an deren Fuß eine gekrümmte Gestalt lag. Das Mädchen war blond, ihr langes Haar floss schimmernd über den braunen Parkettboden. Ihr Gesicht schien friedlich, doch ein paar hässliche Kratzer verliefen über ihre linke Wange. Sie trug ein geblümtes Kleid, darüber einen blauen Strickpullover. Die Beine waren nackt, auf dem rechten Oberschenkel prangte eine Schürfwunde, das linke Schienbein war blaurot verfärbt. Eine rosafarbene Strumpfhose und eine weiße Unterhose lagen auf der unteren Treppenstufe. Irgendwer hatte beides sorgfältig zusammengelegt. Vermutlich nicht der Täter.
    Jemand räusperte sich dicht an ihrem Ohr, Lydia zuckte zusammen. Salomon war neben sie getreten.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    Er nickte.
    In dem Augenblick, als sie sich abwandten, betrat Maren Lahnstein, die Rechtsmedizinerin, das Haus. Sie murmelte Lydia und Chris einen kurzen Gruß zu und hockte sich neben das Mädchen. Lydia blieb bei ihr, während Salomon mit einem Kollegen sprach.
    Nach wenigen Minuten kam er zurück. »Sie heißt Antonia Bruckmann, genannt Toni. Zehn Jahre alt. Einzelkind. Die Familie ist erst kürzlich von Münster nach Düsseldorf gezogen. Der Vater ist Privatdozent an der Uni, die Mutter Hausfrau.«
    »Wo sind die Eltern?«
    »Im Wohnzimmer. Eine Kollegin ist bei ihnen. Die Mutter ist ziemlich durch den Wind. Der Notarzt hat ihr eine Beruhigungsspritze gegeben. Vermutlich ist sie im Augenblick nicht ansprechbar.«
    Lydia drehte sich zu Maren Lahnstein um, die gerade das Thermometer prüfte. »Können Sie schon irgendwas sagen?«
    Die Ärztin seufzte. »Genickbruch. Das hat Ihnen der Kollege ja sicherlich bereits mitgeteilt. Sie ist seit einer, maximal zwei Stunden tot. Multiple Blutergüsse und Hämatome. Sie hat sich offenbar gewehrt.«
    »Sie wurde vergewaltigt?«, fragte Salomon leise.
    »Ja, es sieht ganz danach aus. Aber da stimmt etwas nicht.«
    »Da stimmt etwas nicht?« Lydia warf einen hastigen Blick auf den Unterleib des Mädchens. Die Ärztin hatte das Kleid hochgeschoben, um es zu untersuchen.
    »Sie hat kaum geblutet, soweit ich das erkennen kann.« Maren Lahnstein fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn, um eine rotblonde Strähne zurückzuschieben, und erhob sich. »Ich vermute, dass sie erst vergewaltigt wurde, als sie schon tot war.«
    »Sie meinen, das war ein Nekrophiler?«, fragte Lydia ungläubig.
    Die Ärztin straffte die Schultern. »Ich meine gar nichts. Ich stelle lediglich fest, dass die Verletzungen in der Vagina vermutlich postmortal zugefügt wurden. Die Schlüsse müssen Sie ziehen. Und ich beneide Sie nicht darum.« Sie ließ die Tasche zuschnappen. »Autopsie morgen früh. Bis dann.« Sie ging zur Tür, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Lydia starrte ihr hinterher.
    »War ich irgendwie unhöflich?«, fragte sie irritiert.
    »Ausnahmsweise mal nicht.«
    Sie blitzte Salomon an, dann wurde sie ernst. »Ich fürchte, wir müssen jetzt mit den Eltern sprechen.«
    Im Wohnzimmer war es erdrückend warm. Ein schwacher Alkoholgeruch hing in der Luft. Lydia erkannte zwei Gläser und eine Flasche Cognac auf dem Tisch. Am liebsten hätte sie sich die Flasche geschnappt und einen Schluck genommen. Rasch wandte sie den Blick ab und sah sich um. Auf dem Sofa lag eine Frau, mit einer grünen Wolldecke zugedeckt. Sie schien zu schlafen, mehr als ein blonder Haarschopf war nicht zu erkennen. In einem Sessel beim Fenster saß ein Mann und starrte ins Leere, eine Polizistin hatte auf einem Stuhl neben ihm Platz genommen und lächelte ihre Kollegen erleichtert an.
    Chris Salomon schob die Cognacflasche zur Seite und ließ sich auf dem Couchtisch vor dem Mann nieder. »Herr Bruckmann?«
    Der Mann nickte kaum merklich.
    »Gibt es jemanden, den wir benachrichtigen sollen? Freunde? Verwandte? Sonst jemanden, der Ihnen beistehen kann?«
    Michael Bruckmann schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig.« Er hatte dunkelblondes, von grauen Strähnen durchzogenes Haar und einen gepflegten Bart. Seine auf anrührende Art altmodisch wirkende runde
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