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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong
Autoren: Harry Thürk
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ihrer Ankunft in Bangkok hatte die Besatzung der Skymaster ihre Späße darüber gemacht. Nun war binnen weniger Stunden tödlicher Ernst daraus geworden.
    Der Flieger brannte sich eine Zigarette an. Er faltete das Papier langsam zusammen und schob es in die Tasche. Was tut Fred Kolberg nun, dachte er. Fliegen? Eine B-29 in Korea? Er stand auf und wandte sich an den Beamten. »Können wir in acht Stunden starten?«
    Der Thai beugte sich über seine Startliste. Es würde ohne weiteres möglich sein, der Skymaster um diese Zeit eine Startbahn zu geben, aber er hielt es für richtig, der Entscheidung durch scheinbares Abwägen etwas mehr Gewicht zu verleihen. Nach einer Weile sagte er: »Um acht Uhr auf Piste elf, Mister Kolberg.«
    «Danke.« Kolberg tippte an die Mütze und ging. Sungshan war weit, und Claire Lee Channault wußte einen Dreck, wie die Dinge hier standen. Acht Stunden waren das Äußerste, was an Zeit herauszuschlagen war. Er ging an der Funkzentrale vorbei und setzte einen Spruch an Chennault auf. Er bestätigte den Empfang der Nachricht und teilte mit, daß noch ein leichter Motorschaden zu beseitigen sei; unmittelbar nach der Klarmeldung der Maschine würden sie starten.
    Lügen, dachte er, während er die Stufen abwärts stieg, lügen, um lumpige acht Stunden zu gewinnen, bevor man in einen Bomber steigt, der in den Krieg fliegt. Und während dieser acht Stunden? Eine Hure in der »Zimtblüte«? Was ist das für eine Welt, in der ein Mann, der nicht in einen Krieg ziehen will, sich ein paar Stunden ergaunert, die er bei einer Hure verbringt, und danach doch das tut, was er absolut nicht tun möchte?
     
    *
    Vor der »Zimtblüte«, einem Absteigelokal unweit des Flughafens, hatte sich eine Gruppe Neugieriger angesammelt, die gespannt die Auseinandersetzung eines Samlorfahrers mit Madame Dorothy, der Besitzerin des Etablissements, verfolgten. Es hatte damit begonnen, daß Madame Dorothy sich weigerte, den Samlorfahrer einzulassen. Dieser bestand jedoch darauf, einen bestimmten Gast zu sprechen. Aber die Besitzerin blieb fest. Sie riet dem Samlorfahrer, sich zum Teufel zu scheren.
    «Das werde ich nicht tun«, versprach dieser. »Ich habe eine Nachricht von großer Wichtigkeit für diesen Herrn.«
    «Er ist nicht bei mir.«
    «Das glaube ich nicht.«
    Eine Weile ging es hin und her. Immer mehr Zuschauer sammelten sich um die beiden. Aus den Fenstern des Hauses schaute ab und zu einer der Besucher, zog sich aber bald wieder zurück. Der Krach schwoll an.
    »Wenn du nicht verschwindest, rufe ich die Polizei!« drohte Madame Dorothy dem Samlorfahrer. Sie war eine nicht mehr junge, füllige Person. Ihr braunes Gesicht zeigte Fältchen, an ihren Ohrläppchen baumelten große Goldringe.
    Der Samlorfahrer widersprach ihr immer erregter. »Ich bleibe, bis ich den Herrn gesprochen habe.«
    Die Besitzerin schüttelte abwehrend, den Kopf. Und wie um seiner Forderung noch mehr Gewicht zu verleihen, schrie der Samlorfahrer nochmals: »So lange bleibe ich!«
    In diesem Augenblick erschien der dunkle Wuschelkopf des Bordmechanikers Mazzoli an einem der oberen Fenster. Der Mann schwang eine geleerte Flasche, aber er kam nicht dazu, sie zu werfen. Von hinten umschlangen ihn zwei kräftige nackte Arme und rissen ihn zurück. Als er wieder auftauchte, klemmte sein Kopf zwischen den muskulösen Armen und der üppigen Brust des Mädchens mit dem Ponyschnitt. Sie keifte ein paar obszöne Schimpfworte und versuchte, Mazzoli ins Zimmer zu zerren. Aber der setzte sich zur Wehr. So erblickte ihn Kolberg, als er aus einem Samlor sprang und auf das Haus zuging.
    »He, Chef!« schrie Mazzoli von oben. »Was zum Teufel soll der Krach? Ich kann meine Angelegenheiten nicht ordentlich regeln, wenn ich dabei abgelenkt werde.«
    Kolberg zuckte nur die Schultern. Das Mädchen mit der Ponyfrisur machte eine letzte, gewaltige Anstrengung, und Mazzoli verschwand vom Fenster. Sein Protest ging bald in einem gedämpften Kichern unter. Madame Dorothy atmete auf, als sie sah, daß die Neugierigen sich zerstreuten. Der störrische Samlorfahrer hatte es sich offenbar doch anders überlegt und fuhr davon.
    »Oh, Mister Kolberg«, flötete die Besitzerin. »Nie hat es in meinem Hause Streit gegeben.« Sie öffnete die Tür und geleitete ihn mit der Grazie einer Nilpferdmutter in den Salon. Kolberg hatte auf dem Weg eine halbe Flasche Whisky leer getrunken. Er wollte sich betäuben, und seine größte Furcht war, daß ihm das nicht gelingen könnte.
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