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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose
Autoren: Frank Sturms
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minus 30 Grad. Die Verwundeten konnten in diesem Teil nicht mehr versorgt und ausgeflogen werden. Stalingrad wurde zum Massengrab für die deutschen Soldaten. Ein deutscher Pathologe, der im Kessel die Leichen von deutschen Soldaten stichprobenartig untersuchte, stellte fest, dass etwa die Hälfte der Toten verhungert war. Seine Erkenntnisse durfte ernicht weitermelden. Das Märchen von einer ausreichenden Luftversorgung sollte unter allen Umständen aufrecht erhalten bleiben.
    Fritz Hartnagel, der Verlobte von Sophie Scholl, hielt als Oberleutnant bei der Luftwaffe im Kessel aus. Am 17. Januar 1943 schrieb er an seine Verlobte:
    „Wir haben sehr schlimme Tage hinter uns. [...] Seit 8 Tagen sind wir bei 30 Grad Kälte im Freien gelegen, ohne eine Möglichkeit uns aufzuwärmen. Mein Btl. [Bataillon F. S.] ist vollkommen aufgerieben. Ich selbst habe beide Hände erfroren, davon 2 Finger mit Erfrierungen 3. Grades.“ 6
    So wie Hartnagel erging es vielen deutschen Soldaten im Kessel. Doch er hatte Glück. Mit einem der letzten Flugzeuge, das noch in Stalingrad landen konnte, wurde er ausgeflogen. Er kam zur Erstversorgung in ein Lazarett, das sich in der eroberten Ukraine befand. Verwundete Stalingradkämpfer durften das Reichsgebiet nicht betreten. Um die Moral an der Heimatfront nicht zu gefährden, sollte der deutschen Bevölkerung der Anblick von vielen Tausend verwundeten Soldaten aus Stalingrad erspart bleiben.
    Das sowjetische Oberkommando bot den deutschen Offizieren am 8. Januar 1943 die ehrenvolle Kapitulation an. So sollte weiteres Blutvergießen vermieden werden. Doch Hitler verbot den Eingeschlossenen, die Waffen zu strecken. Auf die Bitte General Paulus’, kapitulieren zu dürfen, antwortete Hitler Ende Januar in einem Telegramm:
    „Verbiete Kapitulation. Die Armee hält ihre Position bis zum letzten Soldaten und zur letzten Patrone und leistet durch ihr heldenhaftes Aushalten einen unvergesslichen Beitrag zum Aufbau einer Abwehrfront und zur Rettung des Abendlandes.“ 7
    Die 6. Armee sollte im Kessel ausharren und auf diese Weise starke sowjetische Truppen binden, damit der Südabschnitt der deutschen Front für eine erneute Offensive im kommenden Sommer stabilisiert werden konnte.
    Mehr noch, in einer Rundfunkrede zum Jahrestag der sogenannten „Machtergreifung“ am 30.1.1943 konnten sich die Stalingradkämpfer die Leichenrede auf ihre eigene Armee anhören. Luftwaffenchef Göring musste die Rede halten, weil Hitler sich angesichts der sich abzeichnenden Niederlage nicht mehr traute, öffentlich vor einer großen Menschenmenge zu sprechen. In dieser Ansprache verglich Göring den Endkampf der 6. Armee unter anderem mit dem mythischen Untergang der Nibelungen an Etzels Hof. Er versuchte so, die militärische Katastrophe und sein eigenes Versagen zu einem neuen Heldenepos umzudeuten.
    Zur Feier des Jahrestages wurde General Paulus von Hitler zum Feldmarschall befördert. An diese Beförderung war allerdings die Erwartung geknüpft, dass Paulus sich erschießen würde. Die Sowjets sollten keinen deutschen Feldmarschall gefangen nehmen. Ein so hoher Offizier sollte heldenhaft mit seiner ganzen Armee sterben.
    Paulus entschied sich anders. Am nächsten Tag kapitulierte er und ließ sich von der Roten Armee in die Gefangenschaft führen.
    Der Nordkessel, der noch sporadisch aus der Luft versorgt werden konnte, gab zwei Tage später auf. Am 3. Februar 1943 wurde die Nachricht vom „heldenhaften Untergang“ der 6. Armee im deutschen Rundfunk verlesen. Die Kapitulation wurde nicht erwähnt.
    Im Sommer 1942 waren etwa 500 000 deutsche Soldaten nach Südosten aufgebrochen, um Stalingrad einzunehmen und bis zum Kaukasus vorzustoßen. Etwa 230 000 deutsche Soldaten wurden zusammen mit ihren Verbündeten in Stalingrad eingeschlossen. Bis zu 110 000 von ihnen nahm die Rote Armee in Stalingrad gefangen, der größere Teil der Armee war vorher gefallen, verwundet, erfroren, verhungert oder vermisst. Von den Überlebenden der Schlacht um Stalingrad sollten nur 6000 die Heimat wiedersehen. Die Sowjets verloren mehr als eine halbe Million Menschen, darunter ungezählte Zivilisten und sowjetische Kriegsgefangene, die im Kessel verhungerten, weil sie von ihren Bewachern nicht mit Nahrung versorgt wurden.
    Nach der Katastrophe von Stalingrad und dem Verlust von mehr als 350 000 Mann im Laufe des Jahres 1942 war die Wehrmacht empfindlich geschwächt.
    Im Sommer 1943 versuchte sie mit neu aufgestellten Truppen unter dem
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