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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde
Autoren: Michail Bulgakow
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mal.« Turbin war ganz benommen von den Flüchen. »Sag doch, wer steht da eigentlich bei Traktir?«
    »Ach!« Myschlajewski winkte ab. »Kein Mensch weiß Bescheid! Weißt du, wie viele wir bei Traktir waren? Vierzig Mann! Kommt doch dieser Hurenbock, Oberst Stschotkin, und sagt« (Myschlajewski verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und ahmte den ihm verhaßten Oberst Stschotkin mit hoher Lispelstimme nach): »›Meine Herrn Offiziere, alle Hoffnungen der Stadt liegen in Ihren Händen. Rechtfertigen Sie das Vertrauen der am Rand des Abgrunds stehenden Mutter der russischen Städte. Sollten sich feindliche Truppen zeigen, so gehen Sie zum Angriff über, Gott mit uns! In sechs Stunden schicke ich Ablösung. Ich bitte jedoch, mit Munition zu sparen.‹« (Myschlajewski sprach mit normaler Stimme weiter:) »Und er verduftete im Auto mit seinem Adjutanten. Finster wie im Arsch! Der Frost stach wie mit Nadeln.«
    »Wer ist denn dort, um Gottes willen? Petljura kann doch unmöglich schon bei Traktir stehen!«
    »Weiß der Teufel! Glaubst du, gegen Morgen waren wir fast verrückt. Um Mitternacht hatten wir Stellung bezogen und warteten auf die Ablösung. Hände und Füße wie tot. Die Ablösung kommt nicht. Feuer konnten wir natürlich nicht machen, zwei Werst von uns war ein Dorf, und eine Werst ab lag Traktir. In der Nacht schien das Feld sich zu bewegen, als ob sie gekrochen kämen. Was werden wir wohl machen? dachte ich. Wir rissen das Gewehr hoch und überlegten: schießen oder nicht? Verlockend war’s ja. Wir standen und heulten wie die Wölfe. Wenn ich rief, antwortete jemand in der Kette. Schließlich hab ich mich in den Schnee gebuddelt, mir mit dem Gewehrkolben ein Grab gewühlt, mich reingehockt und mich bemüht, nicht einzuschlafen, denn wenn man einschläft, ist es aus! Gegen Morgen konnte ich mich nicht mehr halten, ich merkte, daß ich anfing einzuschlafen. Weißt du, was mich gerettet hat? Maschinengewehre. Im Morgengrauen hör ich’s plötzlich drei Werst entfernt rattern. Und kannst du dir vorstellen, ich hatte keine Lust aufzustehen! Da bumst auch eine Kanone los. Ich stand auf, jeder Fuß schien ein Pud zu wiegen. Durch den Kopf zuckte es: Gratuliere, Petljura ist da! Mühsam zogen wir die Kette zusammen, riefen einander. Dann beschlossen wir: Sollte was kommen, bilden wir einen Trupp und ziehen uns, das Feuer erwidernd, zur Stadt zurück. Wenn wir abgeschossen werden, haben wir Pech gehabt. Dann gehen wir wenigstens gemeinsam zugrunde. Und, stell dir vor, es wurde wieder still. Am Morgen liefen wir zu dreien nach Traktir, um uns aufzuwärmen. Weißt du, wann die Ablösung kam? Heute um zwei Uhr nachmittags. Aus dem ersten Bataillon an die zweihundert Junker. Und stell dir vor – bestens angezogen: Papachas, Filzstiefel, ein Maschinengewehrtrupp dabei. Oberst Nai-Turs befehligte sie.«
    »Ah, das ist einer von uns!« rief Nikolka
    »Wart mal, ist er etwa ein Belgoroder Husar?« fragte Turbin.
    »Ja, ja, ein Husar. Verstehst du, die waren entsetzt, als sie uns sahen: Wir dachten, hier sind zwei Kompanien, sagten sie, mit Maschinengewehren. Aber wie habt ihr euch hier gehalten?
    Sie erzählten, gegen Morgen habe eine an tausend Mann starke Bande einen Angriff auf Serebrjanka unternommen, daher das Maschinengewehrfeuer. Zum Glück haben die nicht gewußt, daß dort nur eine Kette ungefähr wie unsere stand, sonst hätte die ganze Meute der Stadt einen Besuch abgestattet, das kannst du dir vorstellen! Zum Glück bestand Verbindung mit Post-Wolynski. Sie benachrichtigten die dortigen Artilleristen, und eine Batterie schoß Schrapnellfeuer. Na, der Eifer der Bande hat sich schnell gelegt, verstehst du, sie unterbrach den Angriff und scherte sich zum Teufel!«
    »Aber wer war das? Etwa Petljura-Leute? Das kann doch nicht sein.«
    »Weiß der Teufel. Ich glaube, es waren Bauern aus den umliegenden Ortschaften, Dostojewskis Gottesträger! Himmeldonnerwetter!«
    »O Gott!«
    »Ja …«, krächzte Myschlajewski und zog an der Zigarette, »wir wurden, Gott sei Dank, abgelöst. Zählten ab – achtunddreißig. Da haben wir’s: Zwei waren erfroren. Zum Teufel. Zwei andere mußten getragen werden, ihnen wird man die Füße amputieren.«
    »Sind die ganz und gar erfroren? Tot?«
    »Was dachtest du? Ein Junker und ein Offizier. In Popeljucha aber, das ist bei Traktir, da war’s noch schöner. Ich war mit Unterleutnant Krassin hingegangen, um einen Schlitten für die Erfrorenen zu besorgen. Das Dörfchen wie
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