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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße
Autoren: Jim Rogers
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sind Farmen selten geworden. Wenn man durch das Land fährt, sieht man riesige leere Felder. Die japanischen Landwirte, die noch leben, sind alt geworden, und ihre Kinder arbeiten in Tokio oder Osaka als Aktienbroker. In Japan, einem der eher chauvinistischen Länder der Welt, ist die Situation so verzweifelt geworden, dass die Regierung chinesischen Landwirten erlaubt hat, ins Land zu kommen und die Felder zu bewirtschaften. Zunächst ist dies ein Experiment. In Indien war die Situation sogar noch schlimmer. Weil man von der Landwirtschaft nicht leben konnte, haben in den letzten anderthalb Jahrzehnten Hunderttausende indische Bauern Selbstmord begangen. Nach einem im Mai 2011 im Magazin Forbes zitierten Bericht nimmt sich durchschnittlich alle 30 Minuten ein indischer Bauer das Leben.
    Bis die Preise einen Punkt erreichen, an dem der Anbau von Nahrungsmitteln profitabel ist, werden auf der ganzen Welt die Farmer, die derzeit altern und sterben, nicht ersetzt werden. Die Preise müssen steigen – und das werden sie auch tun. In den vergangenen Jahren hat die Welt mehr Nahrungsmittel verbraucht als produziert. Die Vorräte, die in den 1980er-Jahren so groß waren, liegen heute auf einem historischen Tiefststand; etwa 14 Prozent des Verbrauchs. Die Welt steht vor einem dramatischen Mangel an Lebensmitteln. Die Preise sind auf dem Weg nach oben. Da können Sie klagen, wie Sie wollen. Wenn die Preise nicht wesentlich höher steigen, werden wir eine Erfahrung machen, die wir noch nie gemacht haben: keine Nahrungsmittel, zu keinem Preis.
    Die aktuelle Rohstoffhausse begann 1999. Jetzt, da ich dies schreibe, dauert sie schon 14 Jahre. Wie jede Hausse wird sie in einer Spekulationsblase enden. Wenn Ihnen die Leute auf Cocktailpartys erzählen, wie viel Geld sie mit Sojabohnen verdient haben, wird der Zeitpunkt für den Ausstieg gekommen sein. Aber die Hausse hat noch einige Jahre vor sich. Rohstoffe, Rohmaterialien und natürliche Ressourcen werden offensichtlich gut abschneiden, wenn die Weltwirtschaft stärker wird, denn das Wachstum wird die Nachfrage erhöhen. Sie werden auch gut abschneiden, wenn die Weltwirtschaft nicht stärker wird, weil dann die Regierung, obwohl sie es nicht tun sollte, zusätzliches Geld druckt, wie man bereits gesehen hat. Und das Drucken von Geld hat schon immer zu höheren Preisen für reale Güter geführt, zum Beispiel Silber, Reis, Energie und andere Sachwerte, weil sich die Investoren vor Inflation schützen wollen.
    Es gibt da noch eine weitere Geschichte, auf die ich später zu sprechen kommen werde.
    Den Studenten, die 2010 meinen Vortrag am Balliol College hörten und immer noch entschlossen waren, in der Finanzbranche zu arbeiten, erklärte ich, dass das Studium der Philosophie und der Geschichte für mich als Investor unentbehrlich gewesen sei. »Sie müssen sich selbst besser kennen«, erklärte ich ihnen, »wenn Sie im Leben irgendetwas erreichen wollen. Sie müssen lernen, auf einem tieferen, profunderen Niveau zu denken, wenn Sie die Wahrheit verstehen wollen.« Das Studium der Philosophie half mir, diese Fähigkeiten zu entwickeln. Es lehrte mich, eigenständig und außerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu denken. Es lehrte mich, Dinge unabhängig zu untersuchen, zum Beispiel jedes Konzept und jede »Tatsache«. Es lehrte mich, um die Ecke zu denken und zu sehen, was fehlt. So viele Menschen sind heute in konventionellem Denken gefangen, weil es leichter und sicherer ist, eine angebliche Weisheit und die Meinung der Mehrheit wiederzugeben, wobei die eigenen intellektuellen Prozesse durch Konzepte wie Staat, Kultur oder Religion eingeschränkt werden. Es ist schwierig, anders zu denken als andere. Die Philosophie lehrt das Denken und somit auch das Zweifeln.
    Selbst wenn uns die Geschichte nichts anderes lehrt, dann doch dies: Was heute noch unbestritten erscheint, wird morgen ganz anders aussehen. Selbst die stabilsten und am besten prognostizierbaren Gesellschaften haben bedeutende Umwälzungen erlebt. Die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie, dieses glitzernde Juwel Mitteleuropas, war 1914 ein riesiges, internationales Zentrum des Reichtums. Die Wiener Börse zählte damals etwa 4000 Mitglieder. Innerhalb von vier Jahren verschwand Österreich-Ungarn. Suchen Sie sich ein Jahr Ihrer Wahl aus, und prüfen Sie, wie es 10 oder 15 Jahre später aussah. Nehmen wir 1925, als allgemein Frieden, Wohlstand und Stabilität vorherrschten. Wie sah es 1935 aus? 1940? Nehmen Sie das
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