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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators
Autoren: Massimo Carlotto
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Jazzer aus Denver … Jetzt ist er in Florenz, gibt dort ’ne Reihe von Konzerten. Ich weiß nicht, ob ich ihn liebe, aber im Augenblick ist das in Ordnung so.«
    Sie schaute mir in die Augen. »Du dagegen bist noch immer allein, vermute ich. Du hast diese Art von Trauer im Blick, an der man gebrochene Herzen erkennt.«
    »Ja, genau so ist es. Die letzte Frau, mit der ich zusammen war, hat mir gesagt, mein Herz sei schwarz und hart wie eine Faust. vielleicht bin ich ein hoffnungsloser Fall.« Sie streichelte mir die Hand. »Du hast ein dickes Fell, Alligator, die Zeit wird das schon richten.«
    »Und die Bewegung?« fragte ich, um das Thema zu wechseln. »Sie wächst. Wir sind die Großstadtlegende der Jahrtausendwende. Ein Piratenschiff sozusagen, das auf dem weiten Ozean der Information kreuzt und hier und da einen Schuß abfeuert, in der Hoffnung, daß die virtuelle Welt der realen Welt wieder ihren angestammten Platz einräumt. Du könntest auch ein guter Luther Blisset sein.«
    »Nein, danke. Ich bin nicht für die großen Ideale gemacht. vermutlich nicht mal für die kleinen«, sagte ich und stand auf.

    Gegen zehn Uhr abends waren wir zurück in Padua, völlig durchnäßt vom Regen. Wir fuhren zu unserem Quartier, um uns umzuziehen und das Band in Sicherheit zu bringen. Ich hatte mich soeben mit einem Glas Calvados und einer Zigarette in einen Sessel gesetzt und versuchte, mich mit geschlossenen Augen zu den Tönen von Taj Mahal zu entspannen, der Statesboro blues sang, als der alte Rossini meinen Arm berührte.
    »Der Tag ist noch nicht zu Ende, Marco. Jetzt müssen wir uns um Bepi Baldan kümmern.«
    »Aber es regnet doch immer noch«, protestierte ich. »Besser so. Dann fallen wir nicht so auf.«
    Piazza Mazzini lag im strömenden Regen völlig verlassen da. Wir eilten unter die üblichen Lauben und näherten uns zu Fuß der Bar Jamaicana. Die Caruso-Bande war vollzählig im Lokal versammelt, man konnte sie durch die Fensterscheiben gut beobachten. Ugo und Alfredo spielten Karten, ihre Leibwächter eine Partie Billard, und Bepi Baldan, der immer deprimierter und besorgter wirkte, starrte in den Regen hinaus. »Sie müssen ganz schön schlecht gelaunt sein nach dem Schnippchen, das wir ihnen gestern geschlagen haben«, grinste Benjamino. »Schau mal, sie haben nicht mal Lust, Eis zu essen.«
    »Stimmt. Sartori wird die beiden Brüderchen ganz schön zusammengestaucht haben.«
    »Und jetzt werden wir sie zur Weißglut bringen.« Ich holte das Handy aus der Tasche, wählte die Nummer der Bar und verlangte den Dealer. Ich sah, wie die anderen ihm mit den Augen folgten, während er zum Telefon ging. »Bepi, tu so, als würdest du mit einem Informanten von dir reden, sie sollen nicht wissen, daß ich am anderen Ende der Leitung bin.«
    »Ciao, Carmine«, begrüßte er mich, er hatte meine Anweisung im Nu begriffen.
    Ich konnte sehen, wie die anderen sich wieder ihren Spielen zuwandten, das beruhigte mich.
    »Hör mir gut zu, Bepi. Wenn du ihnen nicht mehr nützlich bist, werden die Carusos dich kaltmachen. Wenn du das noch immer nicht kapiert hast, dann bist du wirklich blöd. Glücklicherweise sind wir aber schlauer als du, wir geben dir die Chance, heil aus der Sache rauszukommen.«
    »Danke, Carmine, das wär’ nett …«, sagte er in weinerlichem Ton.
    »Aber nur unter einer Bedingung«, fuhr ich fort. »Daß du die Stadt verläßt. Noch heute nacht und für immer. Geh anderswo dealen, und vergiß die ganze Geschichte. Einverstanden?«
    »Ja, Carmine, ganz wie du willst.«
    »Sehr schön … in ungefähr zehn Minuten wird ein Taxi vor dem Bareingang halten. Sobald du es siehst, renn los, so schnell du kannst, und spring rein. Hast du verstanden?«
    »Sicher. Ciao Carmine, und danke für alles.« Ich unterbrach die Verbindung und gab Benjamino ein Zeichen; der pirschte sich heimlich an die Autos der Bande heran und schlitzte mit seinem Schnappmesser ein paar Reifen auf. Ich ging unterdessen zu Fuß zum Taxistand des nahegelegenen Bahnhofs.
    Ich steuerte auf den letzten Taxifahrer in der Reihe zu, einen jungen Mann, der recht aufgeweckt wirkte. Als er mich sah, machte er mir ein Zeichen, ich sollte mich an den vordersten, fahrbereiten Kollegen wenden. Ich stieg trotzdem in seinen Wagen ein und hielt ihm einen Hunderttausend-Lire-Schein hin. »Das Taxi ist für einen Freund von mir, der in einer Bar sitzt. Draußen wartet nämlich der Mann seiner Geliebten auf ihn und will ihn verprügeln. Sie müßten nur
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