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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators
Autoren: Massimo Carlotto
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steckten.
    »Was willst du genau?« fragte sie.
    »Deine Hilfe als Magierin der Tonkunst, um unsere Stimmen vom Originalband zu löschen, von dem ich dir erzählt habe, spurlos, so daß es sich anhört wie ein Monolog. Wir haben einen Plan, wie wir uns retten können, und diese Aufnahme spielt eine sehr wichtige Rolle dabei.«
    »Wollt Ihr die Medien mit einbeziehen?«
    »Ja. Sie sind unsere letzte Hoffnung.«
    »Auf welche Weise?«
    Ich erklärte es ihr. Zum Schluß stand sie auf und fing an, nervös im Raum auf und ab zu gehen.
    »Keine schlechte Idee«, pflichtete sie bei. »Aber das genügt nicht, um den Einfluß von Sartori, Ventura und Co. auf die Presse zunichte zu machen. Wenn ihr sie wirklich erledigen wollt, dann müßt ihr auf einer anderen Ebene agieren, ihr müßt das Verhältnis zwischen Information und öffentlicher Meinung umkehren. Kurz gesagt, für die Informationen auf dem Band müßt ihr einen Multiplikator finden und gleichzeitig für Desinformation und für die Diskreditierung der beiden Personen sorgen. Ihr Image muß einen Kurzschluß erfahren.« Sie sah unsere ratlosen Gesichter und lächelte. »Ihr müßt ein ›Event‹ schaffen«, verkündete sie. »Und da fällt mir grad’ was Nettes ein.«
    Sie erklärte uns ihren Plan und ging auch ausführlich auf die Reaktionen ein, die das bei der Presse und in der Öffentlichkeit auslösen würde.
    Sie schloß mit den Worten: »… man muß die Mächtigen mit einer gut dosierten Mischung aus Tod, Geheimnis, Sex, Intrigen und Korruption darstellen und so das Publikum beeindrucken. Das sind Themen, die die Einschaltquoten und Verkaufszahlen in die Höhe jagen. So erreicht man ein positives Zusammenspiel zwischen dem ökonomischen Bedürfnis der Medien, ihre Nachrichten zu verkaufen, und dem Wunsch eines Großteils des Publikums, sich an Skandalen zu ergötzen. In solchen Fällen verschmelzen Wirklichkeit, Klatsch und Gerüchte zu Legenden, von denen die Protagonisten für den Rest ihres Lebens gezeichnet bleiben.«
    »Wenn ich recht verstehe«, griff ich ein, »würde es Sartori und Ventura auf diese Weise unmöglich sein, die Informationen über ihre Personen zu beeinflussen oder sich adäquat zu verteidigen.«
    »Nicht nur das«, bemerkte Blisset. »Wahrscheinlicher ist, daß sie gezwungen sein würden, sich aus dem öffentlichen Leben und aus den Geschäften zurückzuziehen. Sie würden in ihren Kreisen nicht länger als vertrauenswürdig gelten.«
    »Luther, du bist ein Genie!« rief Benjamino aus und nutzte die Gelegenheit, um sie zu küssen.
    »Wir müssen auf die Idee des Jahrhunderts anstoßen«, schloß ich mich an.
    »Später«, bremste mich die Frau. »Jetzt präparieren wir erst mal das Band.«
    Sie führte uns ins Tonstudio. Es war ein großer Raum voller Geräte, der durch sechzig Zentimeter dicke Türen und Wände schalldicht gemacht wurde. Als erstes spulte sie das besprochene Band auf eine Tonspule, dann begann sie, unsere Stimmen zu löschen und die Übergänge der anderen Stimme fließender zu machen. Sie brauchte sechs Stunden dazu. Erschöpft und zufrieden überreichte sie uns schließlich das Band. »So, das wär’s«, erklärte sie. »Jetzt hört es sich so an, als hätte Professor Emilio Artoni vor seinem Selbstmord beschlossen, seine Erinnerungen für die Nachwelt aufzuzeichnen. Selbst der CIA würde nicht merken, daß das Band manipuliert wurde.«
    »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll, Luther.«
    »Ich hab’s gern gemacht, aber ich hoffe, nie wieder mit Material dieser Art arbeiten zu müssen. ich muß mich entspannen, wie wär’s mit einem Kaffee?«
    Wir gingen in die geräumige Küche, die im Stil der sechziger Jahre eingerichtet war.
    »Hast du je daran gedacht, wieder zu singen?« fragte sie, während wir uns an den Tisch setzten. »Nein, Luther. Ich habe keine Lust mehr.«
    »Schade. Ich hätte gern die Platte mit dem großen Comeback des Alligators gemacht. Und die anderen Musiker, was ist aus denen geworden?«
    »Einige spielen noch, andere haben eine Familie gegründet und arbeiten bei der Bank oder in Papas Tabakladen. Musiker kommen und gehen. aber du, wie geht es dir?«
    »Alles in allem gut. Das Studio läuft, und das Label verkauft sich einigermaßen.«
    »Bist du mit jemand zusammen?«
    »Willst du mir den Hof machen?« scherzte sie. »Nein, das haben wir doch schon probiert, erinnerst du dich?«
    Sie lachte. »Sicher, sicher … ich lebe mit einem amerikanischen Kontrabassisten zusammen, einem
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