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Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)

Titel: Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
Autoren: Meredith Duran
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sie drängten. Ellbogen stießen Mina in die Seite, und man trat ihr auf den Saum. Es war ungewohnt für sie, dass Menschen an ihr vorbeigingen, ohne sie eines zweiten Blickes zu würdigen. Sie ließ sich von der Menge tragen, und es wurde zu einem Spiel, die Balance zu halten. »Es sieht aus, als sei alles in Ordnung«, entschied Jane. »Die Nase ist leicht gerötet. Was ist mit ihm? Ist er tot?«
    Mina schüttelte den Kopf. Sie erinnerte sich an seinen heißen Atem an ihrem Hals, als sie sich ihm in die Arme geworfen hatte. Er hatte ihr ein Prickeln den Rücken herunterlaufen lassen – vielleicht war das der Grund, dass sie nicht sofort reagiert hatte. Er küsste fantastisch, besser, als sie zu hoffen gewagt hatte. Aber seine Ausdrucksweise war ordinär. Warum hatte er so derb mit ihr gesprochen? Was hatte sie getan, dass er sich so anders benahm? Es wurmte sie, dass er die Macht über sie hatte, sich über derartige Fragen den Kopf zu zerbrechen. Er war schließlich nichts weiter als ein Freund ihres Stiefvaters.
    Dr. Sullivans Sohn drängte sich an Mina und Jane vorbei, und die beiden Freundinnen sahen zu, wie er sich neben Monroe kniete und ihm den Puls fühlte.
    »Ich sollte mich auf die Suche nach Mr Collins machen«, murmelte Jane.
    »Versuch’s mal im Kartenzimmer.« Nachdem er Minas Mutter gezwungen hatte, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen, hatte er am Pokertisch Stellung bezogen. Auch seine Bewunderer hatten sich dort eingefunden, um ihm, ähnlich wie Tagelöhner ihrem König, zu huldigen. Jedes Mal, wenn Mina am Kartenzimmer vorbeigegangen war, hatte er ihr durch die geöffnete Tür zugewunken und einen Rauchkringel in die Luft geblasen, als hatte er sie auffordern wollen, ihm zu seiner Beliebtheit zu gratulieren. Sie wünschte sich, über seine Überheblichkeit lachen zu können, doch sie konnte es nicht.
    »Ich bin gleich wieder da.« Jane raffte ihren Rock und entfernte sich.
    Mina war der einzige Farbtupfen in einem Meer aus breiten dunklen Rücken. Die Gentlemen hatten sich um Monroe geschart, und das Stimmengewirr wurde beständig lauter. Jeder versuchte, den anderen mit autoritärer, noch männlicherer Stimme zu übertönen.
    »Treten Sie doch zur Seite …«
    »Lockert ihm die Krawatte …«
    »Atmet er noch?«
    »Er ist Collins’ Gast, nicht wahr?«
    »Er scheint Fieber zu haben …«
    Mr Bonham drängte sich durch die Menge. Als sein Blick auf Mina fiel, bedachte er sie, wie so oft, mit seinem höchst sonderbaren Lächeln. Noch nie hatte sie gesehen, dass er andere auf diese Weise anlächelte. Hielt er es für attraktiv? Dabei sah es eher aus, als versuchte er, seine Lippen in den Mund zu saugen. Mina sah sich außerstande, dieses Lächeln zu erwidern. Sollte Mr Monroe ernstlich krank sein, wäre alles ruiniert.
    Dr. Sullivans Sohn hatte sich wieder aufgerichtet. »Er atmet«, verkündete er, woraufhin ein Raunen einsetzte.
    Um besser sehen zu können, stellte sich Mina auf die Zehenspitzen. Sie würde zehn Jahre ihres Lebens dafür opfern, zwei Fingerbreit größer zu sein. Im Alter von dreizehn hatte sie Gott genau diesen Vorschlag gemacht, jedoch ohne Erfolg. Er hatte ihn schlichtweg ignoriert.
    Durch das Meer an Schultern sah sie, wie Mr Bonham sich herunterbeugte, Monroe an den Haaren packte, dessen Kopf zu sich hochzog und an ihm roch. »Zu tief ins Glas geschaut«, urteilte er. »Oder …« Er blickte auf und suchte nach Mina. Allmählich wurde sein anzügliches Grinsen lästig. »Womöglich hat ihn Miss Masters’ Schönheit überwältigt.«
    Ein Lachen ging durch die Menge. Sämtliche Blicke ruhten jetzt auf ihr, bis einige der Umstehenden fanden, dass sie sich unhöflich verhielten und ihr Platz machten, sodass Mina sich mit einem Mal im Zentrum eines Kreises befand und wie ein preisgekröntes Schwein auf einem Jahrmarkt begafft wurde. Am liebsten hätte sie angefangen zu schielen und das Gesicht zu einer Fratze zu verziehen.
    Da sie jedoch im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stand, blieb ihr nichts anderes übrig, als ein Lächeln aufzusetzen. Mr Bonham wertete dies als gutes Zeichen zu seinen Gunsten. Sein Grinsen wurde breiter, bis es seine Zähne entblößte. Bonham war gut betucht und ehrgeizig – ein Emporkömmling eben, der sein Geld in den Kolonien gemacht hatte, was nicht zwangsläufig gegen ihn sprechen musste. Es wurde erwartet, dass ihm die Herzen der Ballschönheiten nur so zuflogen. Hätte Mina nichts über ihn gewusst, hätte sie ihm womöglich ihr Herz
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