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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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leise. »Und da hatte sie recht.«
    »Wer?« fragte Hanne.
    »Ich hatte zuviel getrunken. Ich habe immer zuviel getrunken.«
    Wie um diese Aussage unter Beweis zu stellen, leerte er auf einen Zug das halbe Glas.
    »Unn hat mit mir durchgehalten. Immer hat sie es versucht. Mich zum Aufhören zu bringen. Aber es war so … sie hätte das hier nicht ertragen können. Sie verstehen …«
    Sein Gesicht hatte sich verändert, eine gewisse Ruhe war jetzt in seine Züge getreten.
    »Trinken ist teuer«, sagte er und räusperte sich kurz. »Ich habe mich dazu überreden lassen, dieses Geld anzunehmen. Natürlich habe ich es dann bereut. Habe es bitter bereut. Wollte es zurückgeben. Wollte Alarm schlagen. Aber er hatte recht. Unn hätte das nicht überlebt. Ja, ja, so war das.«
    Sein Blick glitt über die Blätter. Hanne war nicht sicher, ob er wirklich las. Sie ging in die Hocke, um ihn besser sehen zu können. Er fuhr zusammen und schien sie erst jetzt wieder wahrzunehmen.
    »Aber Unn ist nicht mehr da«, sagte er.
    »Das hier ist sehr wichtig«, flüsterte Hanne, sie hatte Angst, er könnte plötzlich wieder einfach wegtauchen und nicht mehr ansprechbar sein. »Was ist passiert?«
    »Der Junge war erst achtzehn. Feine Familie, wissen Sie. Und die feinen Familien in Bergen …«
    Jetzt lachte er. Hanne staunte darüber, wie schön seine Stimme dabei klang, tief und melodisch.
    »Die sind feiner als die anderen. Alkohol am Steuer. War gegen eine Laterne gefahren. Kleinkram!«
    Jetzt war das Glas endgültig leer.
    »Aber die Sache hätte nicht einfach eingestellt werden dürfen. Er war ja ganz frisch, und da habe ich es im Guten versucht. Hab sie zurückgeschickt und gesagt, da sei wohl ein Irrtum passiert. Aber er wollte nicht nachgeben.«
    Verwirrt starrte er in sein leeres Glas.
    »Was ist passiert?« fragte Hanne.
    »Er wollte noch immer nichts unternehmen. Der Fall sollte nicht weiter verfolgt werden, sagte er. Typisch für die Reichen, die kommen immer leichter davon. Solche wie die da …«
    Düster starrte er die Wand an, die seine Wohnung von der der Stahlbergs trennte.
    »… diese verdammten Snobs. Halten sich für besser als …«
    Backe redete sich jetzt heftig in Rage. Speichel spritzte ihm beim Reden aus dem Mund und er beschrieb gewaltige Gesten mit seinem rechten Arm.
    »Und meine Schwiegereltern«, brüllte er. »Die fanden mich ja auch nie gut genug! Für Unn!«
    Beim Namen seiner Frau ließ er sich wieder zurücksinken, er war erschöpft. Er rang um Atem. Er starrte auf sein leeres Glas und machte Anstalten, sich zu erheben. Hanne drückte ihn sanft in den Sessel zurück.
    »Moment noch«, sagte sie freundlich. »Danach hole ich Ihnen mehr zu trinken. Wer hat gesagt, daß Unn das nicht überleben würde?«
    »So schrecklich viel Geld war das ja auch wieder nicht«, sagte er, als habe er sie nicht gehört. »Aber als ich sagte, ich würde mich an seine Vorgesetzten wenden, verlegte er sich auf Drohungen. Und als das auch nichts half, weinte er. Er weinte! Ha! Ein erwachsener Mann!«
    »Wer?« fragte Hanne.
    »Das sehen Sie ja. Da stehen doch unsere Namen. Er hatte das Geld schon angenommen. Ich bekam davon die Hälfte. Ich bekam …«
    Jetzt strömten ihm die Tränen übers Gesicht.
    »Ein erwachsener Mann«, murmelte er. »Ein erwachsener Mann und jammerte wie ein Kind.«
    Hanne griff nach seinem Glas. Als sie es gefüllt zurückbrachte, redete er bereits weiter.
    »Ich wußte ja, daß es nicht das erste Mal war. Aber er versprach, daß es das letzte sein sollte. Ich nahm das Geld. Ich bekam fünfundzwanzigtausend Kronen. Dann hörte ich auf. Die Schande … die Schande bin ich nie mehr losgeworden. Sie ist nie verschwunden. Versicherungsangestellter. Das bin ich. Glauben Sie, die gehen ein?«
    Er sah sie jetzt an, schaute ihr direkt ins Gesicht; ein verzweifelter Blick, gern hätte sie ihm durchs Haar gestrichen. Statt dessen fragte sie:
    »Wer?«
    »Die Pelargonien. Ich habe versucht, sie zu gießen. Vielleicht zu oft. Unn hat sich mit Blumen ausgekannt. Ja, ja.«
    Langsam ließ er sich im Sessel zurücksinken. Die Uhr schlug in unregelmäßigen Abständen fünfmal. Das Uhrwerk knackte heftig dabei. Der Schnapsgestank brannte in ihrer Nase. Hanne nahm die Unterlagen, die Dokumente eines Falls, bei dem 1984 in Bergen die Ermittlungen ohne triftigen Grund eingestellt worden waren, wieder an sich. Sie legte sie zu den drei anderen Fällen, Fällen, die aus ebenso haarsträubenden Gründen nicht
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