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Die Waffenhändler von Hamor

Titel: Die Waffenhändler von Hamor
Autoren: L. E. Modesitt
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getan hast, und wir hoffen, dass du in Sicherheit und auch bald in Cyad bist.
     
    Lorn blickt auf die Schriftrolle. In Sicherheit und in Cyad? Diese beiden Dinge passen nicht zueinander. Das weiß er nur zu gut.
    Er atmet tief ein. Er muss die Befehle für die fünf Kompanien und Lanzenkämpfer aufsetzen. Das ist ein Problem, das er zu lösen imstande ist … eines, das er schon früher hätte angehen sollen oder über das er zumindest schon früher hätte nachdenken können.

 
LXXVII
     
    I n der Dunkelheit und Stille der Besuchsunterkunft für höhere Offiziere stellt Lorn das Chaos-Glas auf den kleinen Schreibtisch. Er atmet einmal tief durch und konzentriert sich anschließend. Der Silbernebel füllt das Glas, er wird immer dicker und teilt sich schließlich. Aber das Glas ist leer, eine trübe, silbern schimmernde Leere.
    Er lässt das Bild los, das er gesucht hat, und versucht es ein zweites Mal; diesmal denkt er an seine Mutter und an das Gespräch, das er mit ihr vor so vielen Jahren bei windigem Wetter auf dem Balkon seines Elternhauses führte. Doch erneut enthüllen die Nebel nur die silberne Leere.
    Lorn fühlt den Schweiß auf seiner Stirn, der Spätfrühlingsabend ist noch immer warm. Eine Zeit lang sitzt er in der Dunkelheit und fragt sich, ob er wohl die Fähigkeit verloren hat, die Bilder im Glas zu kontrollieren, vielleicht aufgrund seiner Ängste oder der Belastungen, denen er gegenwärtig ausgesetzt ist.
    Dann versucht er es erneut und diesmal geben die Nebel den Blick auf Ryalth und Kerial frei – sie schlafen in dem prunkvollen Bett. Ryalth wirft sich unruhig herum und Lorn lässt das Bild los, wenn auch nur widerwillig, doch froh darüber, dass seine Gemahlin und Kerial wohlauf zu sein scheinen.
    Er versucht noch einmal das erste Bild … und wird für seine Anstrengung lediglich mit der silbernen Leere belohnt, die das runde Glas füllt. Als die Konzentration nachlässt und das Glas sich klärt, brennen seine Augen.
    Diese Leere kann nur bedeuten, dass seine Eltern tot sind, und das wohl schon eine ganze Weile, was er aus dem Unterton in Ryalths Brief schließt. Ihr Tod muss inzwischen einige Achttage zurückliegen.
    Wieder ein Rechtfertigungsgrund für Dettaurs Tod – nur dass Lorn sich nun fast wünscht, dass Dettaurs Ende noch viel schmerzhafter gewesen wäre. Warum war Dettaur nur so gemein gewesen? Er hätte auch ohne diese Niederträchtigkeit versuchen können, Lorn in Misskredit zu bringen.
    Er schüttelt den Kopf und versucht zu verstehen, aber es gelingt ihm nicht.
    Schließlich nimmt er im fahlen Licht der einzigen Öllampe das Silberbüchlein zur Hand und blättert darin, bis seine Augen einen Vers finden.
     
    Asche zu Asche
    und Staub zu Staub …
    Chaos zu Ordnung und zurück in die Flammen
    doch die namenlosen Lieder kommen dadurch nicht zurück …
     
    Aber Lorn wird sich an die Worte der Sorge erinnern, an die Worte des Rates und der Führung, von denen ihm gar nicht bewusst war, dass seine Eltern sie ihm mit auf den Weg gegeben haben. Blind starrt er in die Dunkelheit.

 
LXXVIII
     
    L orn blickt hinaus in den grauen Spätnachmittag. Am Vormittag hatte es noch geregnet, doch nun haben sich die Wolken in höhere Lagen verzogen und die schweren Regengüsse sind in leichten Nebel übergegangen. Dunstschwaden steigen aus den Steinen des Hofes auf.
    Vor drei Tagen sind Gyraet und fünf der sechs Lanzenkämpferkompanien aufgebrochen, um nach Inividra zurückzukehren. Die Offiziere haben sich zwar um Lorn gesorgt, doch gleichzeitig sind sie auch erleichtert gewesen, zurückreiten zu können.
    Lorn versteht ihre Gefühle und ist noch immer dankbar für ihr Wohlwollen. Überraschenderweise, zumindest für Lorn, hat er nach all den kalten Schauern während des Feldzuges nach Jera schon lange keine Beobachtung durch ein Chaos-Glas mehr gefühlt.
    Bedeutet das, dass der Major-Kommandant den Magi’i nicht zutraut, mit Lorn umgehen zu können? Lorn ist sich nicht einmal sicher, ob das nun zu seinem Vorteil ist oder nicht. Sein Blick fällt noch einmal auf die grauen Wolken. Warum die Verzögerung? Wegen des schlechten Gesundheitszustandes des Kaisers? Oder weil Hauptmann-Kommandant und Major-Kommandant erst die Spiegellanzenkämpfer-Kompanien zusammenrufen wollen, um sie nach Assyadt zu schicken?
    Das kommt ihm unwahrscheinlich vor; doch auch Dettaurs Gemeinheit, Lorns private Schriftrollen zu vernichten, kam ihm anfangs unwahrscheinlich vor, denn dieses Vorgehen hat nicht zu
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