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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder!
Autoren: Bertha von Suttner
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einem Heer von ewigen Kriegsvermeidern vorstehen sollen? Hinter dieser Maske – der » si vis pacem «-Maske – blinzeln die einverständlichen Blicke, und die jedes Kriegsbudget bewilligenden Abgeordneten blinzeln mit.«
    »Die Volksvertreter?« unterbrach der Minister. »Man kann den Opfermut doch nur loben, dessen diese in ernsten Zeiten niemals ermangeln und welcher in der einhelligen Votierung der entsprechenden Gesetze erhebenden Ausdruck Ausdruck findet.«
    »Verzeihen Sie, Exzellenz, diesen einhelligen Stimmabgebern wollte ich einem nach dem andern zurufen: Dein Ja wird jener Mutter ihr einziges Kind rauben; – deines bohrt jenem armen Wicht die Augen aus; – deines schießt eine unersetzliche Bücherei in Brand; – deines zerstampft das Hirn eines Dichters, der deines Landes Ruhm gewesen wäre ... Aber ihr habt dieses »Ja« votiert, um nur ja nicht feige zu scheinen – als ob man gerade nur für sich die Assentierung fürchten müßte. – Seid ihr denn nicht da, um des Volkes Willen zur Geltung zu bringen? Und das Volk will die produktive Arbeit, will die Entlastung, will den Frieden ...«
    »Ich hoffe, lieber Doktor«, bemerkte der Oberst bitter, »daß Sie niemals Abgeordneter werden; das ganze Haus würde Sie auspfeifen.«
    »Mich dem auszusetzen, würde schon beweisen, daß ich nicht feige bin. Gegen den Strom zu schwimmen, erfordert die stählerne Kraft.«
    »Wenn aber der Ernstfall eintrete und man stände unvorbereitet da?«
    »Man bereite einen Rechtszustand vor, der den Eintritt des »Ernstfalles« unmöglich mache. Denn was dieser Fall sein wird, Herr Oberst, von dem kann heutzutage kein Mensch einen klaren Begriff fassen. Bei der Furchtbarkeit der gegenwärtig erreichten und noch immer steigenden Waffentechnik, bei der Massenhaftigkeit der Streitkräfte wird der nächste Krieg wahrlich kein »ernster« sondern ein – es gibt gar kein Wort dafür – ein Riesenjammer-Fall sein ... Hilfe und Verpflegung unmöglich ... Die Sanitätsvorkehrungen und Proviantvorkehrungen werden den Anforderungen gegenüber als die reine Ironie sich erweisen; der nächste Krieg, von welchem die Leute so geläufig und gleichmütig reden, der wird nicht Gewinn für die einen und Verlust für die anderen bedeuten, sondern Untergang für alle . Wer hier unter uns stimmt für diesen Ernstfall?«
    »Ich allerdings nicht,« sagte der Minister; »Sie auch nicht, lieber Doktor – aber die Menschen im allgemeinen .... Auch unsere Regierung nicht, dafür kann ich gutstehen – aber die anderen Staaten.« ...
    »Mit welchem Rechte halten Sie andere Leute für schlechter und unvernünftiger als sich und mich? Da will ich Ihnen ein kleines Märchen erzählen:
    Vor der geschlossenen Pforte eines schönen Gartens, gar sehnsüchtig hineinschauend, stand ein Haufen Menschen, tausendundeiner an der Zahl. Der Pförtner hatte den Auftrag, die Leute hereinzulassen, falls die Mehrzahl unter ihnen den Einlaß wünschte. – Er rief den einen herbei: »Sag' – aber aufrichtig – möchtest du herein?« – »O ja, ich schon, aber die anderen Tausend sicher nicht.« Diese Antwort schrieb der kluge Pförtner in sein Notizbuch. Dann rief er einen zweiten. Der sagte dasselbe. Wieder trug der Kluge unter die Rubrik »ja« die Ziffer 1, unter die Rubrik »nein« die Ziffer 1000 ein.
    Das ging so bis zum letzten Mann. Dann addierte er die Zahlen. Das Ergebnis war: 1001 »ja«, über eine Million »nein«. So blieb das Tor verschlossen, denn das »nein« hatte eine erdrückende Majorität. Und das kam daher, weil jeder, statt nur für sich, auch für die anderen antworten zu müssen glaubte.«
    »Allerdings,« sprach der Minister nachdenklich, und wieder schlug Lore Griesbach bewundernde Augen zu ihm auf – »es wäre allerdings eine schöne Sache, wenn die einstimmige Votierung einer Entwaffnungsvorlage stattfinden würde; – aber andererseits, welche Regierung wird es wagen, den Anfang zu machen? Allerdings gibt es nichts Wünschenswerteres als Eintracht: aber andererseits: wie kann man, so lange menschliche Leidenschaften, Sonderinteressen usw. bestehen, dauernde Eintracht für möglich halten?«
    »Erlauben Sie,« nahm jetzt mein Sohn Rudolf das Wort. »Vierzig Millionen Einwohner eines Staates bilden ein Ganzes. Warum also nicht mehrerer hundert Millionen? Soll das mathematisch und logisch beweisbar sein: so lange menschliche Leidenschaften, Sonderinteressen usw. bestehen, können wohl 40 Millionen Leute darauf verzichten, sich
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