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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand
Autoren: Ann Rosman
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Landwirtschaftsschule geschickt worden, er sollte Hof und Trankocherei übernehmen.
    Lief kind. Liebes Kind, hätte sie gesagt und Agnes über den Kopf gestrichen.
    Het komt wel goed. Alles wird gut. Diesmal machte sich Agnes allerdings keine große Hoffnung, dass sich das Problem auf eine Weise lösen ließe, mit der sie zufrieden wäre. Und da Großmutter und Mutter nicht mehr am Leben waren, war sie auf sich allein gestellt.
    Die Standuhr in der Diele schlug elf. Die Herren erhoben sich von der Tafel und nickten Agnes zu. Vergeblich versuchte sie, Bryngels Blick aufzufangen, bevor er die befrackten Männer ins Raucherzimmer begleitete. Mit schweren Schritten ging Agnes die Treppe zu ihrer Kammer hinauf.
    Agnes stand im Raum und betrachtete die tänzelnden Flammen im grünen Kachelofen. Der Lichtschein erzeugte lange Schatten, die über die Tapete und die Kommode bis zu dem Himmelbett mit dem gemusterten Vorhang huschten. Seufzend wandte sie sich dem mattweißen Lehnstuhl daneben zu. Darauf hatte Großmutter immer gesessen und abends mit ihr geredet, bis es dunkel wurde. Am Ende hatte sie die Kerzen an der Wand angezündet. In deren Lichtschein sah ihr Gesicht wunderschön aus. Geliebte Großmutter. Die alte Frau hätte bestimmt Rat gewusst. Vielleicht hatte Vater recht, wenn er sagte, sie habe zu viel gelesen und zu viele Grillen im Kopf. Aber was war so falsch daran, einen eigenen Willenzu haben? Sie war Vater auf Näverkärr eine große Hilfe gewesen, das hatte er selbst gesagt. Da hatte Mutter allerdings noch gelebt, und alles war anders gewesen. Wie würde es morgen sein? Würde sie wie üblich zur Arbeit gehen, oder würde jetzt, wo sie Bryngel von Hof Vese versprochen worden war, jemand anders die Buchhaltung übernehmen? Würde Nils früher zurückkehren, hatten ihr Vater und ihr Bruder das vielleicht vereinbart, ohne ihr davon zu erzählen?
    Agnes setzte sich an den Sekretär und zog die oberste Schublade heraus, in der sie ihr Tagebuch aufbewahrte. Sie überlegte eine Weile, bevor sie mit Feder und Tinte Buchstaben auf dem Papier formte.
    Bryngel Strömstierna.
    Agnes hatte geglaubt, dass sie etwas empfinden würde, dass es zum Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit irgendein unsichtbares Band zwischen ihr und Bryngel geben würde. Wie albern. Das einzige, was er von sich gegeben hatte, war, dass der Platz einer Frau ihr Zuhause sei. Er würde niemals zulassen, dass seine Frau als Buchhalterin arbeitete. Viele Leute in der Gegend hielten ihn für eine gute Partie, zumindest tat das ganz offensichtlich ihr Vater. War er möglicherweise genauso nervös gewesen wie sie? Agnes schloss die Augen und versuchte, sich selbst Arm in Arm mit ihm vor sich zu sehen. Mutter und Vater waren immer liebevoll miteinander umgegangen, sogar Großmutter hatte von Vater einen Gutenachtkuss auf die Wange bekommen. Doch sich von Bryngel Strömstierna küssen zu lassen und ihm zu gestatten, dass er seine Finger über ihre Haut wandern ließ? Undenkbar.
    An der Tür war ein zartes Klopfen zu hören.
    »Ja?« Agnes streute Sand auf das Tagebuch und klappte es hastig zu, bevor sie sich umdrehte.
    Das Hausmädchen öffnete die Tür und hielt die Tranlampe in die Höhe.
    »Ich habe noch Licht unter der Tür gesehen und dachte, ihr hättet vielleicht vergessen, die Kerzen auszublasen.«
    »Ich habe noch gelesen.« Sie stand auf.
    »Braucht ihr etwas, Fräulein Agnes?«
    Agnes schüttelte den Kopf, sie bekam keinen Ton heraus.
    »Die Herren Strömstierna sind nun gegangen. Ich dachte, das Ihr das wissen wolltet. Euer Vater hat ihnen angeboten, über Nacht zu bleiben, aber sie haben sich trotz der späten Stunde zurück nach Vese begeben.«
    Gott sei Dank waren sie nicht geblieben.
    »Ach, liebe Josefina, was soll ich denn nur tun?«
    »Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie alle sagen«, erwiderte das Hausmädchen und machte ein erschrockenes Gesicht.
    »Was sagen denn alle?«
    »Die Leute reden viel.«
    Agnes durchbohrte sie mit ihrem Blick.
    »Was sagen sie, Josefina? Ist er geisteskrank?« Sie hatte den schmächtigen Mann vor Augen, der so desinteressiert und leblos wirkte.
    »Davon weiß ich nichts, aber man spricht über Bryngels verstorbene Frau.«
    Josefina verstummte.
    »Und? Raus damit!« Agnes’ Ton klang schärfer als beabsichtigt.
    »Es wird behauptet, sie sei ins Wasser gegangen.«
    Agnes konnte unmöglich einschlafen. Immer wieder ging sie den Abend durch. Hatte Bryngels erste Frau sich tatsächlich umgebracht? Sie
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