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Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)
Autoren: Ror Wolf
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Abschnitten allerdings gründlich ändern, auch die Art der Personen, die Art der Verhältnisse, der menschlichen und der klimatischen Verhältnisse, der Umstände, der Ansichten, der Absichten, der Beziehungen und der Hintergründe.
    Am Anfang lief ich vielleicht durch Amerika, durch ein tiefes Waldgelände im Westen Amerikas. Ich lief durch sämtliche Wälder Amerikas, durch feuchte Gebüsche und Grabenschlitze, durch riesige hohle Bäume, dann lief ich durch einen fetten, vom Himmel fallenden Rauch und begann nachzudenken. Ich sah etwas mausartig über die Straße huschen, etwas geduckt über den Boden schleichen, mit einem gebogenen Rücken, mit einer riesigen eidechsenartigen Beweglichkeit. Und ich sah etwas rollen, etwas ganz weich hinaufrollen oder hinabrollen, lautlos die Spitze des Mundes beleckend, die Lippen, die Augenlider beleckend, die Sohlen, die Ohren, die dünne Behaarung beleckend. Ich sah Leute, die sich scheinbar zwecklos bewegten und alles was sie taten mit einer fast unanständigen Geschwindigkeit ausführten, ohne Behutsamkeit, ohne Bedachtsamkeit und alles im Rauch, in diesem fetten, vom Himmel fallenden Rauch.
    Es ist möglich, daß ich darauf zurückkommen werde. Aber bevor ich darauf zurückkommen konnte, trat ein Mann auf. Plötzlich also, in diesem Moment, trat ein Mann aus dem Rauch heraus und gab einen kurzen Bericht von den Entdeckungen, die er gemacht hatte. Er habe, sagte der Mann, alle Länder der Erde durchquert, mit Ausnahme derer, die innerhalb des kalten Gürtels liegen. Er habe Europa soweit es bewaldet ist und Asien durchquert, Afrika und Australien, aber niemals habe er einen Rauch wie diesen Rauch angetroffen, aus dem er gerade heraustrat, niemals.
    Dieser Mann begann plötzlich mit großer Entschlossenheit nach Norden zu laufen und ich schrieb es auf, ich notierte es. Seine Arme, notierte ich, werden beim Laufen nach vorn geworfen. Er untersucht alles mit einer gewissen Nachdenklichkeit, alles was er findet oder was ihm auffällt. Manche Gegenstände werden ganz langsam von ihm in die Höhe gehoben, andere aber ganz rasch. Kommt er, notierte ich, in eine gewisse Verlegenheit, dann bewegt er den Kopf, steckt ihn in eine Vertiefung, zieht ihn aber sofort wieder zurück. Ich habe ihn in solchen Momenten auch die Augen zudrücken sehen. Mir fiel sogar ein Ausdruck von Angst auf, von Angst vor einer unerwarteten Entdeckung. Wahrscheinlich steckt eine Versammlung von Unsicherheiten in der Tiefe des Mannes, schrieb ich, bevor er im Rauch verschwand. Rauch. Ich werde das Wort in Zukunft so selten wie möglich verwenden, vielleicht überhaupt nicht mehr und an dieser Stelle zum letzten Mal: Rauch. –

    Blicken wir also weiter nach Westen und übergehen wir dabei den gewaltigen leeren Raum, der bisher noch unerforscht ist, übergehen wir ihn und kommen wir an die Küste. Hier scheint sich jetzt alles zu ändern, dachte ich. Ich setzte mich auf eine Bank und sah das lautlos dampfende Meer, dann lief ich weiter nach links und erreichte ein kleines Seebad, das in der Nähe lag, ich betrat einen Ort ohne besondere Sehenswürdigkeiten und ich betrat diesen Ort ohne besondere Erwartungen.
    Später saß ich in einer Wirtschaft und aß ein paar dicke obszöne Würste, aus denen beim Einstich der Wurstbrei herausquoll. Ich sah ganz weiche Bewegungen hinter dem Zigarettendampf, ich hörte auch etwas. Ich hatte mich hingesetzt und gegessen. Und jetzt saß ich immer noch da und aß. Nein. Ich aß nicht mehr, ich saß nur so da und dachte darüber nach, wie lange ich schon hier saß. Ich wußte nicht einmal, in welcher Wirtschaft ich saß, im Lamm oder im Roten Hirsch.
    Inzwischen traten durch die verschiedenen Türen nach und nach eine Anzahl Menschen ein, sie begrüßten mich nicht, sie suchten nach ihren Plätzen. Kein Schuß fiel, kein Messer wurde gezogen, alles spielte sich wirklich ganz ruhig ab mit Kartenspielen und Weißbiertrinken. Zuweilen runzelten sich die Stirnen, die Zähne knirschten zuweilen. Mehr gab es nicht zu berichten. Später betrat ich ein zweites Lokal, in dem sich die geschilderten Szenen in etwas eleganterer Umgebung wiederholten. Ich habe in dieser Zeit jeweils drei bis viermal täglich gegessen, ohne darüber nachzudenken. Das Essen war eine Angewohnheit von mir. In aller Öffentlichkeit habe ich gegessen, so oft ich konnte.
    Als ich eines Tages im Brauhaus saß, sah ich einen Mann am Klavier und sagte: das ist doch Hartmann. Ich hatte gerade die Suppe vor mir, da
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