Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)
Autoren: Ror Wolf
Vom Netzwerk:
sprang ich auf. Aber es war gar nicht Hartmann. Später ging ich noch kurz in die Traube und hinterher in den Stern. Hartmann sah ich nicht, ich sah nicht einmal ein Klavier.



V on Amerika war einstweilen nicht mehr die Rede. Es wird also Zeit, einen Blick nach China zu werfen. Ich habe Ihnen eine kurze Beschreibung von China versprochen, sagte ein Mann, der gerade vorbeikam, hier ist sie, hier ist eine kurze Beschreibung von China. Die Chinesen, sagt der Mann und setzte sich neben mich, lassen sich nicht aus der Fassung bringen. Das ist die Hauptsache. Die ganze Leidenschaft, über die sie verfügen, verwenden sie dazu, sich nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Der Tag war schön. Die Luft war – wie? Der Mann neben mir erzählte von seinem früheren Leben, außerdem machte er mich auf einige botanische Entdeckungen aufmerksam. Endlich, am Abend, waren wir im Tal des Blutes angekommen. Und während wir über Kleinigkeiten plauderten, gingen wir in die weiche Wüste hinein.
    Ich will jetzt nach O, sagte ich plötzlich. Was wollen Sie denn in O, sagte der Mann. Eine rein persönliche Angelegenheit, sagte ich. Sie können den Ort auf zwei Wegen erreichen, sagte der Mann und verabschiedete sich. Drei Tage ging ich dahin, ohne nachzudenken. Jemand nahm einen Hut ab. Das war ich. Jemand zog einen Schuh aus. Das war ich auch. Ich sprach. Ich sprach über Verschiedenes. Nein, ich sprach über gar nichts. So sah es im Augenblick aus. Ich kam durch schlangenreiche menschenleere Bergorte und sah kein Ende und keine Erde und keine Spur von Vegetation. An Wasser fehlte es gänzlich. Ich schleppte mich stumm dahin, durch die engen Schluchten, über die spitzen kratzenden Felsen. Ich sah die Vögel schwarz und erschöpft vom Himmel fallen und hörte die langen gefressenen Schreie in einem wilden eisenbahnlosen Land. Ein Mann, der aus der Ferne herauskam, sagte, daß wir in etwa zehn bis vierzehn Tagen vertrocknet sein würden, weggetrocknet von dieser Erde, aus der Welt hinausgetrocknet. Diesen Mann sah ich später in den Wandelgängen von O freundlich lächelnd an mir vorübergehen.
    In O betrat ich die Gastwirtschaft Biertunnel und machte von der mir erteilten Erlaubnis, Platz zu nehmen, mit großem Vergnügen Gebrauch. Ich nahm Bewegungen wahr, das ist richtig, aber sie waren nicht von Bedeutung, sie waren für die Entwicklung dieser Geschichte sogar völlig überflüssig. – Ich sah einen Huthaken und ich sah Mäntel hängen. Das Zittern der Luft über dem Ofen fiel mir auf und nun wußte ich: es geschieht etwas, ohne daß man eigentlich sieht, was geschieht. –

    Die Wirtin, die wie festgenäht auf dem Sofa saß, schwieg. Neben mir saß ein Mann. Als er die Mütze abnahm, sah ich seine Hände. Die ganze Zeit hatte er sie in den Taschen versteckt; es waren die größten Hände, die ich jemals gesehen hatte. Damit schob er die Sachen, die auf dem Tisch standen, hin und her, die Salzfässer, die Senfnäpfe, die Aschenbecher und Zahnstocherbehälter. Er begann, vom Hosenausziehen zu reden und erzählte eine Geschichte, die bei der erwähnten Wirtin sehr großen Beifall fand. Das Hosenausziehen würde sie gern einmal sehen, sagte sie, aber sie möchte es etwas später sehen, jetzt nicht, jetzt wolle sie gar nichts sehen, keine Bewegung.
    Der Mann erzählte, wie er einmal aus einem scheinbar ganz unbelebten Bett heraus mit einem gewaltigen Satz in die Höhe gesprungen sei, um im nächsten Moment zu verschwinden. Dann biß er ein Stück der Speisekarte ab und sagte: Ich beiße noch mehr ab, passen Sie auf. Er lehnte sich seufzend zurück und saß eine Weile still neben mir. Plötzlich glitt er lautlos zu Boden. Es war ein schöner Oktobertag. Jemand deckte gerade den Tisch. Überall machten die Menschen Spaziergänge. Aber es war nicht so. Es war anders. Ich stand vor dem Spiegel, frei unter dem kalten Himmel. Hinter mir schlich mit einer unerklärlichen Langsamkeit ein Mann vorbei und verschwand wortlos am oberen Rand des Bildes.
    Dann stieß ich meine Zigarre in den Aschenbecher, Gute Nacht, ich stieg geduckt horchend die Treppe hinauf. Es war nichts zu hören, nur das gelegentliche Abstellen der Gläser auf den Tischen, nur das Schlucken, nur das Nachfüllen der Gläser, nur das Geräusch des Bierhahns, nur die Schritte der Kellnerin, nur das Anzünden der Zigarren, nur das Trommeln der Finger auf der Tischplatte, nur das Knarren der Stühle, nur das Tropfen der Uhr, nur das Räuspern und Schneuzen, nur das Anzünden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher