Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)
Autoren: Ror Wolf
Vom Netzwerk:
Ihre Stimme hatte durchaus nichts Unangenehmes, sondern im Gegenteil, etwas Ansprechendes, etwas leicht Gekrümmtes, höchst Behagliches, Nächtliches, Mondweiches, etwas Unbekleidetes, Verschleiertes, schwarz Verschleiertes, Hingelegtes und Ausgespreiztes.
    Ich saß damals also auf einem schwankenden scharf zugespitzten Berg, die Spalten vor mir tief dunkel braun schimmernd, ich habe davon gesprochen, oder nicht? Dann wäre also nicht das Gebirge selbst, sagte ich, sondern die mit dem Gebirge verknüpfte aber auch sonst an anderen Stellen vorkommende dauernde Kopfhaltung der Grund für die augenblickliche Lage – oder der – der Gesichtsausdruck – oder ?
    Schließlich entschloß ich mich, mit einem einzigen Satz in die Tiefe zu springen, die Tür zu öffnen und mich auf das Bett zu werfen.

25



I m Juni kroch ich zurück in meine Erinnerungen. Ich erinnerte mich an kleine Spaziergänge durch die Stadt, ich erinnerte mich an den Wind in den Straßenschluchten, an den Dampf der Bratwurststände, an das Schnaufen der Lastkraftwagen. Ich war durch die Haustür ins Freie getreten, wo mir ein Mann den Rauch seiner dunklen Zigarre kalt ins Gesicht blies, ohne mich zu beachten, ich glaube, es war Al Capone. Ich kam dann durch eine Reihe von Straßen, die Wände der Häuser faulend, herunterfließend, vom Wetter zerfressen, mit aus den Fenstern wehenden bleichen Gardinen. Zuweilen rollte es dumpf durch die Luft, es pfiff und es knallte, der Boden zitterte leicht, ich ging so dahin, an den kleinen Lokalen vorbei, ich sah riesige Tiere in Klarsichtfolien und den Dunst aus den U-Bahn-Schächten, ich hörte ein Aufzischen und das Geräusch des Hineinbeißens in zerplatzende Würste, und noch immer kam ich an diesen langsam verfaulenden Häusern vorbei mit den herunterfließenden weichen Fassaden. Ich bog um die Ecken und sah den Müll an den Rändern, die Hüte, die Mützen, die Asche die Asche, die Fischbüchsendeckel, die Flaschenreste, die verrosteten Kuchenformen, die Kleiderbügel mit den zerrissenen Mänteln und die vergifteten Ratten, geschwollen, mit offenen Augen. Etwas später traf ich noch einmal Capone: Ein ganz aus Fleisch bestehender Mensch, der durch mich hindurchsah und durch mich hindurchging und schließlich in einer schwach beleuchteten Bahnhofshalle verschwand.
    Ich erinnere mich, daß ich mich im Moment des Hinaustretens in großer Gefahr befand. Ich öffnete also die Tür und sah rechts von mir drei Männer stehen, die auf etwas links von mir blickten, also auf etwas, das ich nicht sehen konnte. Jemand sagte dann: Wir werden Ihnen jetzt die Augen verkleben. Sie verklebten mir also die Augen. Sie setzten mir einen Hut auf, später haben sie ihn wieder abgenommen. Ich fühlte, wie ich ganz rasch in einen Autositz gedrückt wurde. Den Rest habe ich vergessen.
    Nein, es war anders, sagte Capone. Sie öffneten plötzlich die Tür, das ist wahr. Dann gingen Sie in ein kleines Café, erinnern Sie sich? – Ja, ich erinnere mich, sagte ich: Ich ging in ein kleines Café. Ich hatte im Leben viele verschiedene Dinge in meinen Händen gehalten. Diesmal hatte ich einen Revolver in meiner Hand. Da es kalt war, ging ich in ein kleines Café und holte mir einen Mantel vom Haken. Diesen Mantel habe ich später weggeworfen. Die Leute saßen da und sahen mich an. Möglicherweise schwiegen sie alle. Ich bemerkte, daß jemand atmete und stöhnte, aber ich sagte nichts. Was damals passiert ist, sieht ohnehin so aus, als sei es gar nicht passiert.

    Ich öffnete also die Tür. So war es. Nachts hatte ich ein Hacken und Klopfen im Hinterzimmer gehört. Auf der Straße war es ganz still. Ich bemerkte plötzlich, daß ich mich in einer gefährlichen Lage befand. Vor mir hörte ich Schüsse, und das waren Schüsse, die aus einem Revolver kamen, den ich in der Hand hielt, ich schoß und schoß, und da lag schon ein Mann, sein Name ist mir entfallen, und da lag noch ein Mann, es lagen mehrere Männer am Boden, und keinen von ihnen kannte ich, oder allenfalls einen, das war Capone, der sich sofort erhob und davonlief.
    Ich bin dann weitergegangen und hörte es immer noch knallen. Etwas schlug klatschend hinter mir in die Wand. Jemand rutschte plötzlich in meine Arme und hatte die Augen weit aufgerissen. Ich sah das Blut dunkel herausfließen und wunderte mich, daß es soweit gekommen war. Sehen Sie, sagte Capone, wie das Blut sich bewegt, wie es läuft, wie es fließt, wie es aus diesem Körper herausfließt, und wie es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher