Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)
Autoren: Ror Wolf
Vom Netzwerk:
für Ihre Aufmerksamkeit. Sie rauschte an mir vorbei, ich fand, sie schwankte, aber das ist eine Weile her. Sie kontrollierte in einem Spiegel den Sitz ihrer Strümpfe, damals hob sie den Rock in Nevada und dann geschah das, was ich vor einigen Jahren in meinen Aufzeichnungen beschrieben habe.
    In Nevada begann ich zu laufen, ich lief und lief, aber ich lief viel zu langsam und noch dazu in die falsche Richtung. Ich ging über weite leuchtende Flächen, ich kam durch ein struppiges Land, durch ein borstiges kratzendes Land und setzte mich hin, in großer Ruhe, um meine Aufzeichnungen zu ergänzen. So entdeckte ich nacheinander das ganze Gebiet, von Süden bis Norden, Oregon, Idaho, Wyoming, Nebraska. Und als ich das alles entdeckt und notiert hatte, erhob ich mich, um nach Osten zu fahren und mich dort anderen Aufgaben zuzuwenden. Irgendwo traf ich Max Schmeling. Immer wenn ich an diese Stelle komme, treffe ich Schmeling. Was machen Sie hier, fragte Schmeling. Dasselbe könnte ich Sie fragen, sagte ich. Und was haben Sie vor, fragte Schmeling.
    Ich träumte von einem Leben als Forscher, freilich ohne zu wissen, was ich erforschen wollte. Mir schien alles, was zu entdecken war, schon entdeckt zu sein; alles war schon bekannt, alles erforscht, etwa die Angelegenheiten der Elektrizität, die Gedanken des Niederschlagswesens, die Wirkungen der Militärmusik, alles das war erforscht und bis zur Ermüdung beschrieben und ausgebreitet.
    Eine Zeit später fand ich in Albany, hinter einer Tapetentür, ein Labor. Auf dem Glastisch standen Meßkolben, Mischzylinder, Abdampfschalen, Bunsenbrenner und in den Regalen Flaschen mit Chloroform, Karbol, Strychnin und Arsen. In einem beheizten Glasschrank fand ich zwölf Glasschalen. Damit begann ich zu experimentieren.

    Nach dieser Entdeckung, mit der ich einigen Schaden verursachte, verschwand ich eine Weile aus dieser Gegend. Das wurde mit Stillschweigen übergangen und offenbar nicht bemerkt, jedenfalls tat man so, als sei ich gar nicht verschwunden, sondern stünde noch immer am Zimmerfenster. Man verhielt sich ganz wie gewöhnlich, mit kurzen Besuchen am Abend und freundlichen Grüßen, kopfnickend. Man übersah auch den angerichteten Schaden.
    Ende September wohnte ich in Chicago und sang. Das war noch nicht alles. Während des Singens begann ich ein wenig zu tanzen, ich tanzte, während ich auf einem Stuhl stand, der auf einem Tisch stand, dieser Tisch stand aber keineswegs auf dem Zimmerboden, sondern auf einem Dach in der Luft von Chicago. Ganz unten sah ich die Unbekannte, sie schaute nachdenklich hinab in das dicke schwarze Kanalwasser. Später stand sie an eine Wand gepreßt in Atlantic City. Ich ging auf sie zu, gegen Mittag, kann sein, in einem Zimmer des Chelsea Hotels oder vielmehr im Gang, oder auch nicht im Gang, sondern in einer Halle, das ist es: In einer Bahnhofshalle. Ich erinnere mich an das Geräusch der Züge, ja, an das Klatschen der Türen, an die Pfiffe und an ihre sehr langen Handschuhe, die heraus aus dem Fenster wehten. Ich hörte das Knacken der Haken, das Aufschlitzen oder das Aufreißen, also das Öffnen, das Auseinanderklappen, das langsame Auseinanderschieben und das Atmen, das Atmen. Es roch nach Morast, nach verschlungenen Tieren, nach Leichen und Moder und Blut.
    Die weichen bleichen Haare wehten, notierte ich damals. Die kolossale Größe von Blättern, unter denen sie lag, nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, auch das mehlige Fleisch, aufgeklappt, mit den spitzen kleinen aus den Achseln wachsenden Pflanzen und die feuchte rötliche nahezu haarlose schnappende Öffnung. Ich notierte das alles. Schließlich wuchsen ihr Sprossen über den Kopf, und Pflanzen wuchsen rasch über sie hinweg und ihr ganzer Körper wuchs zu an dieser Stelle der Welt, wo das Meer langsam das Land auffrißt.

20



W as geschah später, fragte Q, der mich in Milwaukee besuchte. Ich züchtete etwas, aber es war schon nach einem Jahr wieder verschwunden, ich wußte nicht mehr, was es war; etwas Bewegliches, ja, es hat sich bewegt, es waren weiche träge Bewegungen am Boden, es kroch, ich habe ihm das Herumkriechen beigebracht und das Verschwinden, und eines Tages war es verschwunden und fortgekrochen.
    Ich habe dann ohne Schwierigkeiten einige Dinge erfunden, eine goldene Uhr beispielsweise, die jedem, der sie zum ersten Mal sah, rätselhaft war, kein Mensch wußte, wenn er auf diese Uhr sah, welche Zeit es war, und er mußte es auch nicht wissen. Nachts habe ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher