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Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ror Wolf
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vorbeiging.
    Als ich aufstand, wußte ich nicht mehr, was ich gegessen hatte. Ich wußte zwar, daß ich etwas gegessen hatte und daß ich den Löffel schließlich auf den Tisch gelegt hatte, mit einem kleinen Geräusch, und daß ich mir danach den Mund abgewischt hatte, wußte ich auch, aber was ich gegessen hatte, vor diesem beschriebenen Aufstehen, wußte ich nicht mehr. Ich hatte sogar vergessen, daß ich aufgestanden war und vor allem alles, was danach passierte.
    Einen Augenblick später stieß ich mit einer unbekannten Dame zusammen. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, sagte die Unbekannte; das kann schon passieren. Danach verlor ich sie aus den Augen. Und als hätte es nicht schon genug Überraschungen gegeben an diesem Tag, sprang plötzlich Nagelschmitz aus einem Hausflur heraus. Er trug einen Hut in der Hand. Was für eine Überraschung, sagte ich, aber ich liebe keine Überraschungen, schon gar nicht solche. Q sagte: Ich liebe Überraschungen auch nicht.



– Sie können jetzt gehen, sagte ich.
    – Ich werde morgen wieder vorbeikommen, sagte Q.
    – Tun Sie das, tun Sie das, sagte ich, und vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe.
    – Das werde ich nicht vergessen, sagte Q.
    – Ich sagte: Das will ich hoffen.
    Gut, es ist gut, es genügt. Es ist ohnehin nichts mehr zu sagen. Und zu sehen ist auch nichts mehr. Wenn das so weitergeht, sagte ich, hört es bald auf.

19



E s ist mir nicht viel passiert, es ist mir in dieser Nacht nicht viel passiert, bis zum Morgen nicht, und wäre mir an diesem Morgen nicht etwas passiert, dann könnte ich sagen: Es war eine lautlose unbedeutende Nacht. Morgens fand man mich dann in Arizona, in der Nähe von Phoenix. Und da ich nachts noch in Olm war, dachte ich eine Weile darüber nach, wie ich plötzlich nach Phoenix gekommen war. Ich konnte das nicht genau sagen, aber ich schrieb es auf, ich notierte es.
    Das schönste ist, schrieb ich, auf dem Bett liegend einfach davonzuschaukeln, in die Ferne hinein, in die gewaltigsten Abenteuer hinein, ohne aufzustehen, ohne sich ein einziges Mal zu erheben. Das Eindringen in die unbekannten Gebiete geschieht also ganz leicht, ohne Eile, das ist schön.
    Im Spiegel sah ich, wie sich ein glücklicher Ausdruck auf meinem Gesicht ausbreitete. Ich war damals ohne die allergeringsten Erwartungen in die Welt hinausgegangen, ohne Bedenken und ohne Eile. Ich streifte in Arizona umher und kam dort bis in das Innere der Städte. In den Abendstunden trieb ich durch unbeleuchtete Straßen, ich saß eine Weile an einer Theke und neben mir saß, über ein Glas gebeugt, die Unbekannte. Jemand mache sich an ihrem Rock zu schaffen, erzählte sie, aber sie sei zu bequem, sich zu wehren, sie sei zu müde und es würde im Grunde ja auch nichts nützen, also von mir aus, rief sie, ich schlafe inzwischen ein bißchen. – Später bestieg ich ein Flugzeug, das sich donnernd erhob, um mich noch weiter hinaus in die Fremde zu bringen, die prachtvoll und weich meine ganze Neugier geweckt hatte.
    Noch vor Eintritt der Dunkelheit erreichte ich Nevada. Ich hielt die Hände beschattend über die Augen. Es war sicher, daß ich in diesem Teil der Welt etwas vermutete, etwas, worauf es ankommen würde, und zwar nicht nur für diesen Moment. Ich hatte damals die Angewohnheit, die Ursache jedes fremden Geräuschs zu ergründen und bemerkte nicht, daß ich dabei immer tiefer in die Einsamkeit hineindrang.
    Die Bäume gebogen dort in Nevada, die Büsche gebogen unter dem Anprall der Luft, die Schornsteine qualmend im Hintergrund von Nevada, das alles war bisher ein unentdecktes Gelände. Ich aber entdeckte ein Haus, ich entdeckte eine geöffnete Tür und trat in den Dampf von Zigarren hinein. Eine finstere Pause folgte. Ich sah mich um und bemerkte: Niemand bemerkt mich hier in Nevada.

    Am nächsten Tag sah ich zwischen den Gästen, in der Nähe des aufgeklappten Klaviers, die Unbekannte in einem ganz dünnen flatternden Kleid. – So muß man sich durchwühlen durch diese Welt, sagte die Unbekannte. Mir ist schon vieles passiert, was mir nicht gefallen hat, sagte sie, aber das, was gerade beginnt, das gefällt mir erst recht nicht.
    Ich glaube, Sie sprechen von einer anderen Sache, sagte ich damals. Keineswegs, sagte die Unbekannte, ich spreche von dieser Sache. Übrigens spreche ich überhaupt nicht, ich spreche schon seit einer ganzen Zeit überhaupt nicht, also von gar keiner Sache, auch nicht von einer anderen Sache. Aber ich danke Ihnen

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