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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit
Autoren: Terry Pratchett
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vorderster Front, wenn es darum ging, die Stadt zu verteidigen. Dafür existierten sie. Lautete das Familienmotto nicht Le Mot Juste ? Das richtige Wort am richtigen Platz, meinte Lord de Worde. Er konnte einfach nicht verstehen, warum William diese wundervolle Tradition ablehnte. Schließlich fand er die für Leute wie ihn typische Lösung des Problems: Er ignorierte es einfach.
    Frostige Stille hatte sich inzwischen auf die de Wordes herabgesenkt. Im Vergleich dazu wirkte Winterkälte wie eine Sauna.
    In einer solchen Stimmung konnte es sehr aufmunternd wirken, den Druckraum zu betreten und dort den Quästor anzutreffen, der die Theorie der Worte mit Gutenhügel diskutierte.
    »Einen Augenblick, einen Augenblick«, sagte der Quästor. »Ja, in der Tat, im übertragenen Sinne bestehen Worte aus einzelnen Buchstaben, aber sie haben nur eine…« Er winkte würdevoll mit seinen langen Fingern. »… theoretische Existenz, wenn ich es so ausdrücken darf. Sie sind Worte partis in potentia, und ich fürchte, es ist außerordentlich naiv anzunehmen, sie hätten eine echte Existenz unis et separato. In der Tat, allein die Vorstellung von Buchstaben mit einer eigenen physischen Existenz ist in philosophischer Hinsicht sehr beunruhigend. Es wäre in der Tat so, als würden Nasen und Finger ganz allein in der Welt umherlaufen…«
    Dreimal »in der Tat«, dachte William, der solche Dinge bemerkte. Wenn jemand in wenigen Sätzen dreimal den Ausdruck »in der Tat« verwendete, so war das ein sicheres Zeichen dafür, dass eine innere Feder zu brechen drohte.
    »Wir haben ganze Kästen voller Buchstaben«, erwiderte Gutenhügel kategorisch. »Wir können jedes beliebige Wort formen.«
    »Genau da liegt das Problem«, sagte der Quästor. »Angenommen, das Metall erinnert sich an die Worte, die es gedruckt hat? Graveure schmelzen wenigstens ihre Platten ein, und der reinigende Effekt des Feuers…«
    »Entschuldige bitte, Hochwürden«, sagte Gutenhügel. Einer der Zwerge hatte auf seine Schulter geklopft und reichte ihm ein Blatt Papier. Er nahm es entgegen und gab es dem Quästor.
    »Der junge Caslong meint, du möchtest das hier vielleicht als Souvenir«, sagte er. »Er hat alles auf den Stein gesetzt, während du gesprochen hast. Er ist ziemlich flink.«
    Der Quästor versuchte, den jungen Zwerg streng von Kopf bis Fuß zu mustern. Doch diese Einschüchterungstaktik funktionierte nicht besonders gut, da zwischen Kopf und Fuß nur wenig war, das man streng mustern konnte.
    »Im Ernst?«, fragte er. »Wie interessant…« Er warf einen Blick auf das Papier.
    Und riss die Augen auf.
    »Aber das sind…«, brachte der Quästor hervor. »Als ich sagte… Ich habe doch nur gesagt… Woher wusstest du, was ich sagen würde… Ich meine, es sind genau die richtigen Worte!«
    »Natürlich sind sie nicht richtig justiert«, sagte Gutenhügel. »He, was soll das denn heißen?«, empörte sich der Quästor. William wandte sich von ihnen ab. Das mit dem Stein erschien ihm
    nicht weiter seltsam – selbst die Graveure benutzten einen großen flachen Stein als Werkbank. Und er hatte gesehen, wie die Zwerge Papierbögen von den metallenen Buchstaben zogen, also ergab auch das einen Sinn. Im Gegensatz zu den Worten des Quästors. Metall hatte gewiss keine Seele.
    Er blickte über den Kopf eines Zwergs, der Drucktypen in einer metallenen Tragmulde sammelte. Die kleinen, dicken Finger huschten zwischen der Mulde und dem großen Kasten vor dem Zwerg hin und her. Oben enthielt das Gestell Großbuchstaben, die kleinen befanden sich darunter. Man konnte eine Vorstellung davon bekommen, wie der Text lauten sollte, wenn man die Bewegungen der Hände beobachtete.
    »V-e-r-d-i-e-n-e-v-i-e-l-G-e-l-d-i-n-d-e-i-n-e-r-f-r-e-i-i-g-e-n-Z-e-it…«, murmelte er.
    Eine Gewissheit formte sich. William betrachtete die schmutzigen Zettel neben dem Kasten.
    Sie zeigten eine gedrängt wirkende, steile Handschrift, die auf eine anal-retentive Person hinwies, mit der Tendenz, den Stift verkrampft in der Hand zu halten.
    Offenbar witterte Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper wieder ein großes Geschäft.
    William dachte gar nicht bewusst darüber nach, als er sein Notizbuch hervorholte, die Spitze des Stifts befeuchtete und in seiner ganz persönlichen Kurzschrift notierte:
    »Es kam zu erst. Sz. im Zsh. M. d. Einr. einer Druckmaschine b. d. Tav. Eimer , Inh. G. Gutenhügel, Zwg. überall ist gr. Int. gew. Auch b. d. Wirtsch.«
    Er zögerte. Das Gespräch am
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