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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit
Autoren: Terry Pratchett
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indem sie in Bewegung blieb. Seile rissen. Fässer lösten sich, fielen auf die Straße und rollten davon. Einige zerbrachen und füllten die Rinnsteine mit Schaum. Die anderen donnerten weiter und weckten die Aufmerksamkeit aller aufrechten Bürger: Sie sahen Hunderte von Litern Bier, die plötzlich keinen Eigentümer mehr hatten und in Freiheit unterwegs waren.
    William und Sacharissa wechselten einen Blick.
»In Ordnung – ich schreibe alles auf, und du holst Otto!« Sie sagten es gleichzeitig und starrten sich herausfordernd an. »Na schön, na schön«, sagte William. »Gib irgendeinem Jungen ein
    paar Cent und beauftrage ihn, Otto zu holen. Ich spreche mit dem Tapferen Wächter, dessen Tollkühner Sprung die Alte Dame gerettet hat, und du kümmerst dich um das Große Krachen, einverstanden?«
    »Ich schicke einen Jungen zu Otto«, sagte Sacharissa und holte ein eigenes Notizbuch hervor. »Aber du kümmerst dich um den Unfall und das Große Bierfass-Rollen, während ich mit der Weißhaarigen Oma rede. Menschliches Interesse, verstehst du?«
    »Na gut!«, gab William nach. »Der Retter ist übrigens Hauptmann Karotte. Sorg dafür, dass Otto ein Bild von ihm anfertigt. Und frag ihn nach seinem Alter!«
    »Natürlich!«
    William näherte sich der Menge, die sich beim verunglückten Wagen eingefunden hatte. Andere Leute verfolgten die Bierfässer, und gelegentliche Schreie wiesen auf Folgendes hin: Durstige Personen begreifen nur selten, wie schwer vierhundert Liter Bier in einem rollenden Eichenfass aufzuhalten sind.
    Pflichtbewusst notierte er den Namen an der Seite des Wagens. Zwei Männer halfen den Pferden auf die Beine, aber mit dem Biertransport schienen sie nichts zu tun zu haben. Sie sahen vielmehr wie Männer aus, die einfach nur verlorenen Pferden helfen und sie nach Hause bringen wollten, damit sie sich besser fühlten. Dazu schien es nötig zu sein, ihnen das Fell zu färben und zu schwören, sie seit mindestens zwei Jahren zu besitzen.
    William näherte sich jemandem, der nicht mit irgendwelchen kriminellen Aktivitäten beschäftigt war.
    »Entsch…«, begann er, aber die Augen des Bürgers hatten das Notizbuch entdeckt.
    »Ich habe alles gesehen«, sagte er.
»Tatsächlich?«
»Es war ein schreck-licher Anblick«, sagte der Mann mit Diktiergeschwindigkeit. »Aber der Wäch-ter machte einen todes-verachtenden Sprung, um die Alte zu ret-ten, und er ver-dient eine Me-daille.«
    »Wirklich?«, fragte William und schrieb schnell. »Und du bist…« »Sa-muel Arblaster, 43, Steinmetz, Rennerei Nummer elf«, sagte der Mann.
    »Ich hab’s ebenfalls gesehen«, sagte eine neben dem Mann stehende Frau mit Nachdruck. »Frau Florrie Perry, Mutter von drei Kindern, Tolle Schwestern. Es war ein wüstes Durch-einander.«
    William riskierte einen Blick auf seinen Stift. Er war eine Art Zauberstab.
    »Wo ist der Ikonograph?«, fragte Frau Perry und sah sich hoffnungsvoll um.
»Äh… noch nicht hier«, sagte William.
    »Oh.« Sie wirkte enttäuscht. »Schade um die arme Frau mit der Schlange. Ich vermute, er fertigt Bilder von ihr an.«
    »Äh… ich hoffe nicht«, sagte William.
    Es war ein langer Nachmittag. Ein Fass war in einen Friseurladen gerollt und dort geplatzt. Einige Leute von der Brauerei erschienen, und es kam zu Auseinandersetzungen mit den neuen Besitzern der Fässer, die Bergungslohn beanspruchten. Ein unternehmungslustiger Mann hatte ein Fass am Straßenrand angezapft und eine Kneipe improvisiert. Otto traf ein. Er machte Bilder von den Bierfass-Rettern. Er machte Bilder vom Kampf. Er machte Bilder von den Wächtern, als sie alle verhafteten, die noch auf den Beinen standen. Er machte Bilder von der weißhaarigen Alten, dem stolzen Hauptmann Karotte und in seiner Aufregung auch vom eigenen Daumen.
    Es war eine ziemlich gute Geschichte, und William hatte seinen Teil davon im Büro der Times zur Hälfte niedergeschrieben, als ihm plötzlich etwas einfiel.
    Er hatte beobachtet, wie alles geschah. Und er hatte sein Notizbuch hervorgeholt. Das sei besorgniserregend, teilte er Sacharissa mit. »Warum denn?«, fragte sie von ihrer Seite des Schreibtischs. »Mit wie vielen ls schreibt man ›galant‹?«
    »Eins genügt«, sagte William. »Ich meine, ich habe nicht einmal versucht, in das Geschehen einzugreifen. Ich dachte nur: Dies müssen wir in der Zeitung bringen.«
    »Ja«, meinte Sacharissa und beugte sich über ihren Text. »Wir sind auf ganz besondere Art unter Druck geraten.«
    »Aber…«
    »Sieh
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