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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit
Autoren: Terry Pratchett
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trostlosen und spartanischen Internat, dass nur die Obergläser auf den Gedanken kamen, ihre Söhne dorthin zu schicken.
    Huggelstein war ein Granitgebäude in einem regennassen Moor, und sein ausdrücklicher Zweck bestand darin, Jungen zu Männern zu machen. Bei der Methode, nach Williams Erinnerungen bestand sie vor allem aus sehr einfachen und gewaltsamen Spielen im gesunden Schneeregen, gab es eine gewisse Verlustquote. Die Kleinen, Langsamen, Dicken und einfach nur Unbeliebten wurden niedergemäht, wie von der Natur geplant. Doch die natürliche Auslese geschah auf unterschiedliche Weise, und William stellte fest, dass er über ein bemerkenswertes Überlebenspotential verfügte. Auf den Sportplätzen von Huggelstein konnte man gut überleben, indem man sehr schnell lief, laut rief und auf unerklärliche Weise immer weit vom Ball entfernt war. Seltsamerweise kam er dadurch bald in den Ruf, eifrig zu sein, und Eifer wusste man in Huggelstein sehr zu schätzen, wenn auch nur deshalb, weil tatsächliche Leistung so selten war. Die Lehrer von Huggelstein glaubten, eine ausreichende Menge von Eifer könnte weniger wichtige Attribute wie Intelligenz, Weitblick und Ausbildung ersetzen.
    Echten Eifer hatte William bei allen Dingen gezeigt, die Worte betrafen. In Huggelstein bedeutete das nicht viel, denn von den meisten Schulabgängern wurde in dieser Hinsicht kaum mehr erwartet, als dass sie mit ihrem Namen unterschreiben konnten (eine Fertigkeit, die fast alle Schüler innerhalb von drei oder vier Jahren erlernten). William verbrachte lange, friedliche Vormittage, indem er alles las, was ihm interessant erschien, während um ihn herum die massigen Stürmer der ersten Reihe (die eines Tages maßgeblich über die Geschicke des Landes entscheiden würden) lernten, Stifte oder Federkiele in den Händen zu halten, ohne sie zu zerbrechen.
    William verließ Huggelstein mit einem guten Zeugnis, was oft der Fall ist bei Schülern, an die sich die Lehrer kaum erinnern. Anschließend fragte sich sein Vater, was er mit ihm anstellen sollte.
    Er war der jüngere Sohn, und nach der Familientradition wurden jüngere Söhne in irgendeine Kirche geschickt, wo sie keinen physischen Schaden anrichten konnten. Aber das viele Lesen hatte Spuren hinterlassen. William hielt Gebete inzwischen für eine verfeinerte Methode, mit Gewittern zu reden.
    Eine Arbeit bei der Landverwaltung schien durchaus akzeptabel zu sein, doch Williams Ansicht nach kam das Land auch gut allein zurecht. Er mochte die freie Natur, solange sie sich auf der anderen Seite eines Fensters erstreckte.
    Eine militärische Laufbahn kam kaum in Frage. Alles in William sträubte sich dagegen, fremde Leute zu töten.
    Es bereitete ihm Freude, zu lesen und zu schreiben. Worte gefielen ihm. Worte schrien nicht und verursachten auch keine anderen lauten Geräusche, wie der Rest der Familie. Sie verlangten nicht, dass man sich draußen in der Kälte schmutzig machte. Sie jagten auch keine harmlosen Tiere. Sie fügten sich seinem Willen, gehorchten ihm. Er wollte schreiben, hatte er damals gesagt.
    Sein Vater war regelrecht explodiert. In seiner persönlichen Welt bekleidete ein Schriftgelehrter nur einen geringfügig höheren Platz als ein Lehrer. Bei allen Göttern, sie ritten nicht einmal auf einem Pferd! Es gab eine Auseinandersetzung.
    Mit dem Ergebnis, dass William nach Ankh-Morpork reiste, dem üblichen Bestimmungsort für alle Ziellosen. Dort bestritt er mit Worten seinen Lebensunterhalt, auf eine ruhige Art und Weise. Er glaubte, es besser zu haben als sein Bruder Rupert, der groß und gutmütig war und sich ohne das Hindernis seiner Geburt bestens für Huggelstein geeignet hätte.
    Und dann kam es zum Krieg gegen Klatsch.
    Es war ein unwichtiger Krieg, der zu Ende ging, bevor er richtig angefangen hatte. Doch zu den Ereignissen während der wenigen verflixten Tage des Durcheinanders gehörte der Tod von Rupert de Worde. Er war für seine Überzeugungen gestorben, unter anderem für den sehr huggelsteinianischen Glauben, dass Mut eine Rüstung ersetzen konnte, und dass Klatschianer wegliefen, wenn man laut genug schrie.
    Bei ihrer letzten Begegnung hatte Williams Vater von den stolzen und ehrenwerten Traditionen der de Wordes gesprochen. Sie betrafen vor allem einen unangenehmen Tod, meistens den von Fremden; doch William gewann den Eindruck, dass es die de Wordes immer für einen guten zweiten Preis gehalten hatten, selbst zu sterben. Ein de Worde stand immer in
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