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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition)
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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zuzuknallen. Doch das wäre nicht nur äußerst unhöflich, sondern auch fatal gewesen. Daher machte sie auf dem Absatz kehrt und suchte die benötigten Utensilien zusammen.
    Als sie zurückkehrte, wischte Lefeber gerade mit einem Taschentuch den Türgriff ab.
    »Da war Vogelkot«, erklärte er ungefragt.
    Alba reichte ihm das Gewünschte.
    Während Lefeber mit krakeliger Schrift die Nachricht verfasste, murmelte er den Text leise vor sich hin. Alba stand daneben, die Lippen zusammengepresst.
    Mit einem Lächeln gab er ihr Stift und Tesafilm zurück. »Vielen Dank, Frau Alba.« Doch er machte nicht die geringsten Anstalten, zu gehen. »Ist Ihr Mann wieder mal auf Geschäftsreise?«
    In Angelika Albas überbordender Fantasie beugte sich Lefeber mit einer im Mondlicht blitzenden Axt über ihr Bett, während ihr Mann in Paris seelenruhig ein Entrecote verzehrte. Medium rare.
    »Nein«, log sie. »Er kommt heute sogar etwas früher nach Hause.«
    Ein Scheppern drang aus dem Wohnzimmer. Lefeber spähte erneut über ihre Schulter und als er im Halbdunkel nichts entdeckte, betrachtete er forschend ihr Gesicht. In seinen Augen flackerte Unruhe auf – oder Schlimmeres.
    »Die Katze hat wohl etwas umgestoßen«, erklärte sie mit tonloser Stimme. Bitte verschwinde endlich, sonst werde ich auf der Stelle ohnmächtig!
    Zwei Glockenschläge wehten von der Kirche auf dem Riedberg herüber.
    Lefeber warf einen erschrockenen Blick auf seine Armbanduhr und eilte, einen Gruß über die Schulter rufend, die Stufen hinunter. Nachdem er die Nachricht an seiner Haustür befestigt hatte, schwang er sich auf sein Fahrrad und verschwand winkend um die Ecke.
    Albas Knie gaben nach.
    »Das haben Sie gut gemacht«, tönte eine Stimme aus dem Gang hinter ihr. Ein Knistern aus dem Funkgerät.
    Dann sagte jemand: »Zugriff.«
    *
    Das Lehrerzimmer des Rose-Schlösinger-Gymnasiums im Frankfurter Nordend war ein heller Raum mit gelben Vorhängen, in Gruppen angeordneten Holztischen und einer imposanten Bücherwand an der Nordseite. Durch die große Glasscheibe fiel weiches Morgenlicht in den Raum. Es verlieh den ausgestellten Porträtstudien der Schüler, die Adam Lefebers Kunst-AG besuchten, etwas Entrücktes: Anlässlich eines Besuches im Archäologischen Museum hatten sie Bleistiftzeichnungen von einer römischen Statue angefertigt; ein versonnener Narcissus lehnte sich, die rechte Hand in die Hüfte gestemmt, auf eine Steinsäule. Wenn man von dem zerstörten Phallus absah, zeigten die Zeichnungen eine perfekt erhalte Plastik. In der Reihe der Arbeiten klaffte eine Lücke, ein aufmerksamer Beobachter hätte noch die Befestigungslöcher in der Wand bemerkt. Zwei Bilder waren abgenommen worden.
    Die Tür ging auf und Ina Franke sah, wie Adam Lefeber den Raum betrat. Er begrüßte die kleine Runde mit einem kurzen Hallo – die meisten Kollegen befanden sich bereits in ihren Klassen, wo der Unterricht begonnen hatte – und öffnete einen der beiden Kühlschränke neben der Tür, um ein mitgebrachtes Pausenbrot zu verstauen.
    Ina wurde eiskalt, ihr Herz klopfte zum Zerspringen.
    Lefeber hätte nicht hier sein dürfen. Die Polizei hatte es versprochen!
    Sie spürte das dringende Bedürfnis, ihre Hände zu bewegen und sich beispielsweise durch die rote Lockenmähne zu fahren, doch sie saß völlig paralysiert auf ihrem Platz und starrte Lefebers Rücken an, der die Sicht auf das Innere des Kühlschranks versperrte. Ihr Mund war trocken, das Schlucken fiel ihr schwer.
    Plötzlich vibrierte ihr Handy in der Tasche. Von dem Metallgehäuse ging eine unheimliche Kälte aus. Ihre Hand zitterte, als sie das Gespräch annahm und das Handy ans Ohr hielt.
    »Frau Franke?«
    »Ja?«
    »Hier ist Abel von der Frankfurter Polizei.«
    »Ja?«
    Lefeber drehte sich um und sah ihr direkt in die Augen. Er weiß, mit wem ich telefoniere.
    Ina erwiderte den Blick des Kollegen einen Moment, dann drehte sie sich zur Seite.
    »Es gab eine kleine Planänderung. Wir fangen Lefeber nun doch vor der Schule ab.« Abel sprach schnell, als hätte er sich die Sätze zurechtgelegt. »Ich glaube zwar nicht, dass Sie ihm nochmals begegnen, aber für alle Fälle möchte ich Sie vorwarnen.«
    Als Ina wieder einen Blick zum Kühlschrank wagte, hatte Lefeber sich keinen Millimeter bewegt. Noch immer sah er sie an.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille, sie konnte die Irritation des Polizisten beinahe fühlen. Als er wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme ein paar Nuancen
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