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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition)
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Staatsanwalt Dr. Keitel, Gideon Richter als Leiter der MK5 und der Leiter der vierten Mordkommission, die mit ihren Mitarbeitern gemeinsam die Sonderkommission Spessart bildeten, waren aus der Festung angereist. Und nicht zu vergessen Nora Winter, die zwar keine offizielle Aufgabe bei der bevorstehenden Veranstaltung hatte, aber von Gideon eingeschleust worden war, weil sie als Augenzeugin unter Umständen wichtige Details beitragen konnte.
    Auf den beiden fest installierten und zwei eilig herangeschafften mobilen Sektionstischen lagen unter weißen Laken die Leichen von Tobin und Anna Kiefer, Wolfgang Tibursky und Adam Lefeber.
    Chiazza platzierte vor jeden Körper ein Klemmbrett mit den wichtigsten Informationen über den Toten. »Was hatten Sie heute, Herr Kollege?« wandte er sich an Breitenecker.
    »Einen Pilz. Und Sie?«
    »Auch einen Pilz, was sonst.«
    Die beiden Männer brachen in Gelächter aus. Nora sah unschlüssig zu Gideon hinüber, der mit den Schultern zuckte. Als Chiazza ihre Verwirrung bemerkte, klärte er sie auf: »Wir bekommen von der Institutssekretärin jedes Jahr einen mit Schokolade gefüllten Adventskalender. Verschiedene Kalender, aber die gleiche Füllung. Das ist so eine Art Running Gag.«
    Und als Nora nicht wie erwartet reagierte, zuckte Chiazza die Schultern. »Heute hatten wir beide einen Pilz, verstehen Sie? Wir finden so etwas divertente . Komisch.«
    Kindsköpfe, dachte Nora. Wahrscheinlich musste man so gestrickt sein, um bei all der Brutalität, deren Ergebnisse man hier in Augenschein nahm, nicht den Verstand zu verlieren.
    Man reichte ein Döschen mit Tigerbalsam herum. Dann entfernten Chiazza und Breitenecker die Laken von den Körpern. Ein Aufstöhnen ging durch den Saal, als sichtbar wurde, was von den Leichen noch übrig war. Richters Kollege gab Würgegeräusche von sich und stürmte durch die Flügeltür nach draußen. Die restlichen Anwesenden mit Ausnahme der Gerichtsmediziner, die damit ihr täglich Brot verdienten, wurden etwas blasser, hielten sich jedoch wacker.
    Adam Lefebers Anblick war noch einigermaßen erträglich. Von der rot umrandeten Eintrittswunde knapp über dem Herzen und einigen Schürfwunden abgesehen, wirkte er friedlich. Nur die Art und Weise, wie sein Kopf auf dem Tisch lag, ließ ahnen, dass der gesamte Hinterkopf durch die Wucht des Aufpralls auf den Asphalt zerquetscht worden war.
    Wolfgang Tibursky und Tobin Kiefer einte, dass ihre Köpfe vom Torso abgetrennt waren und mit einigen Zentimetern Abstand auf dem Tisch lagen. Kiefers Hals wies geradlinige, wenn auch ausgefranste Schnittwunden auf, offensichtlich von Menschenhand verursacht. Tiburskys Kopf war mit roher Gewalt vom Hals getrennt worden, Sehnen und Adern hingen heraus und die Wunde verlief wesentlich ungleichmäßiger.
    Am schlimmsten hatte es Anna Kiefer erwischt. Ihr Körper war nach Eintreten des Todes nicht nur zersägt, sondern Teile davon auch Opfer der Flammen geworden, die das Haus und das Mühlengebäude bis auf die Grundmauern zerstört hatten. Chiazza und Breitenecker hatten die Körperteile, so gut es ging, auf dem Tisch angeordnet, doch der Anblick eines Körpers, dessen unterer Teil verkohlt war, Kopf und Torso jedoch weitgehend unversehrt schienen, fügte der gespenstischen Szenerie noch eine weitere bizarre Note hinzu.
    Nora kämpfte gegen den dringenden Wunsch an, das Gesicht abzuwenden und eine Weile aus dem Fenster zu blicken. Doch sie widerstand der Versuchung und bemühte sich, das Grauen zu verbannen und sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
    »Fangen wir mit dem Einfachsten an«, sagte Chiazza und deutete auf Lefeber. »Traumatischer Pneumothorax durch Schussverletzung. Gestorben ist er letztendlich jedoch an den massiven Kopf- und inneren Verletzungen nach dem Sturz aus dem vierten Stock. Weiß jemand, warum an dem Mann eine Orchiektomie durchgeführt wurde? Hatte er vielleicht Hodenkrebs?«
    »Wenn Sie uns erklären, was das ist, eine Orchi…«
    »Der Mann war kastriert.«
    »Eine schwere Hodenverletzung bei seiner ersten Festnahme vor mehr als zwanzig Jahren«, erklärte Nora.
    Chiazza machte sich eine Notiz. »Der Rest ist ja wohl eher unstrittig. Außer dass es mich wundert, warum Sie ihm nicht zuerst in die Beine geschossen haben.« Das war an Gideon gerichtet.
    »Er hat es herausgefordert«, antwortete der forsch.
    »Tatsächlich? Na, kaspern Sie das mit der Revision aus.«
    Nora musste lächeln. Die würden Gideon, der selbst einige Jahre dort tätig
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