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Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis
Autoren: Victoria Hanley
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jedoch von ihrem eigenen Vater, Lord Hering, zur Sklaverei verdammt worden. Er hatte seine Tochter einem adligen Offizier der Sliviiter versprochen, doch Lila hatte einen anderen geliebt und sich geweigert, seinen Namen preiszugeben. Normalerweise behielten nur Edelleute und Freie von niederem Stand ihr glattes Gesicht, mit dem sie zur Welt gekommen waren. Sklavenmädchen, die eine zukünftige Schönheit zu werden versprachen, durften ebenfalls über ihren fünften Geburtstag hinaus unversehrt bleiben. Stellte sich die versprochene Schönheit ein, erhielten sie an ihrem fünfzehnten Geburtstag die Zeichnung der Sentesans, der Lustfrauen: zwei Schnitte um jedes Handgelenk, bleibende Armreife, die sie zu einem unsäglichen Leben verdammten. Da Maeves Besitzer, Lord Indol, sie nie geschnitten hatte, fürchtete sie, zur Sentesan bestimmt zu sein. Ich bin siebzehn und noch immer nicht gezeichnet. Lord Indol hatte nie ihre Talente geprüft, sie nie in Küche oder
    Garten ausbilden lassen oder in die Nähstuben geschickt, wo ihre Mutter arbeitete, und er hatte ihr nie gesagt, was er mit ihr vorhatte. Fragte sie Orlo, der zum Obersklaven des Badehauses aufgestiegen war, warum sie nicht gezeichnet war, bekam sie zur Antwort, er wüsste es nicht. Maeve war froh, unter Orlo zu arbeiten und nicht unter den Oberinnen im Haus, die sie wegen ihrer glatten Haut verabscheuten und sie am liebsten eigenhändig gezeichnet hätten, wäre der Gebrauch des Patriers nicht den Lords vorbehalten. Und nun starrte sie dieser ihr unbekannte Mann an, als gehöre sie ihm halb. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, er solle schweigen und die Augen schließen. Aber sie sagte nur: „Lord Indol hält mich geeignet für den Dienst im Badehaus."
    „Was für eine reizende Stimme du hast. Kannst du singen?"
    „Nein, Herr." Maeve hoffte, er würde ihr die Lüge nicht ansehen.
    Der Mann sah erst sie und dann sein Patrier an, das auf einer Ablage neben der Liege lag. Das Patrier war die einzige Waffe, die im Badehaus zugelassen war, es verkörperte Privilegien, auf die kein Lord verzichten würde. Maeve stieg die Hitze ins Gesicht Ein Patrier durfte im Badehaus nicht benutzt werden. Warum sah er sie so merkwürdig an?
    Sie müsste reden, irgendetwas Beschwichtigendes sagen, wie Orlo ihr beigebracht hatte. Doch sie wartete
    schweigend, während das Lächeln auf dem Gesicht des Lords erstarb. „Ich habe nach dir geschickt, um massiert zu werden", sagte er. „Nun beginne." Er streckte sich auf der Liege aus und drehte ihr erwartungsvoll seinen breiten Rücken hin.
    Maeve tauchte ihre Hände in Patschuliöl und legte sie dann auf seinen Rücken. Kaum hatte sie ihn berührt, war ihr, als versinke sie in einem kalten, grauen Morast.
    Ihre Hände verrieten ihr oft Dinge über die Menschen, die sie berührte. Ein Prickeln in den Handflächen, und sie wusste, dass Lady Lorens lächelndes Gesicht ihre schreckliche Angst verhüllte, wusste, dass Lord Meche log, wenn er vorgab, ein großzügiger Gönner der Künste zu sein. Als sie das erste Mal mit ihren Händen die Seele eines anderen ertastet hatte, war sie erschrocken und hatte Angst bekommen. Doch schließlich hatte sie gelernt, ihre Gabe anzunehmen: Sie half ihr, Konflikte zu vermeiden. Und was machte es schon, wenn Lady Loren ihre Angst unter einem Lächeln verbarg oder Lord Meche in Wirklichkeit ein Geizkragen war? Dieser Mann aber jagte ihr einen Kälteschauer über den Rücken und machte ihr Angst. Übelkeit stieg in ihr auf und sie nahm ihre Hände fort. Der Mann drehte sich zu ihr, packte sie am Handgelenk und zog sie brutal näher. „Was ist los mit dir?" „Entschuldigt, Herr. Vielleicht nehmt Ihr eine andere Masseurin. Es gibt viel bessere als mich."
    Er drehte ihr den Arm um und durchbohrte sie mit einem Blick, der scharf und stählern war. Seine Nüstern bebten. „Ich hätte nie erwartet, jemanden wie dich in einem privaten Badehaus anzutreffen", sagte er. Jemanden wie mich?"
    „Andere hätten es nicht bemerkt, Mädchen. Aber mir entgeht nichts."
    Maeve wollte fragen, was er damit meinte, aber ihre Zunge fühlte sich taub an. Sie versuchte, seinem forschenden Blick auszuweichen, aber ihr Kopf wollte sich nicht drehen, und nicht einmal ihre Augen konnte sie schließen, sie schienen nur noch seinem Willen zu gehorchen. Sie versank in die Tiefe seiner dunklen Pupillen, in eine bebende Leere düsterer Schatten. Mit einem Mal ließ er ihre Hand los und sagte: „Ich will keine andere. Fahre fort"
    Sie
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