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Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis
Autoren: Victoria Hanley
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weg von Lord Morlen. Aber er stand jetzt zwischen ihr und dem Vorhang.
    „Warum ist sie nicht gezeichnet?", fragte Morlen.
    „Ich weiß nicht, Herr. Ich habe es nie erfahren", sagte Orlo.
    „Ich werde einen offiziellen Antrag stellen, sie zu kaufen. Und den Jungen auch."
    Sie kaufen! Nein, nein, Lord Indol wird mich niemals verkaufen 1 hoffte Maeve und unterdrückte den Schrei, der sich aus ihrer Brust lösen und das ganze Badehaus erschüttern wollte.
    „Lord Indol hat schon viele Angebote für sie bekommen", antwortete Orlo.
    „Wirklich? Du sprichst, als hätte ich dich um deine Meinung gefragt, Lümmel. Reich mir mein Gewand." Orlo half dem Lord in ein seidenes Gewand und reichte ihm das Patrier, dann verließ dieser die Kammer. Maeve zitterte, als sie versuchte, Devin zu beruhigen. Sie murmelte tröstende Worte und hätte doch selbst Trost gebraucht. Sie sah auf die rot und rosa gemusterten Wandkacheln, dann auf Orlos hängende Wangen, die unter den schwarzen Bartstoppeln erbleicht waren. Sie streichelte Devin übers Haar und dachte an Lord Morlens Blick, unter dem sie ihre Augen nicht hatte schließen können, und an die bleierne Übelkeit, die sich ihrer bemächtigt hatte, als sie seine Haut berührt hatte. „Orlo, du sagtest, Lord Indol habe schon andere Angebote für mich bekommen?" Er nickte und sie bemerkte das schwere Heben und Senken seiner Brust. „Und wenn Lord Morlen ihm mehr bietet als die anderen?"
    Orlo schüttelte heftig den Kopf. „Hätte Lord Indol dich zu einer Sentesan gemacht, hätte er mit dir ein Vermögen anhäufen können. Nein, ich glaube, in deinem Fall denkt er nicht an Gold. Doch es heißt, wenn Lord Morlen sich etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt er so schnell nicht locker."
    „Dann muss ich Lord Indol selbst bitten - ich muss ihn bitten, mich nicht zu verkaufen." Orlo sah sie zweifelnd an. „Orlo, darf ich ein Bad nehmen und ein frisches Hemd anziehen?"
    Sie bemerkte Orlos traurige Augen, als er nickte.
    Lila wusste, dass sie sterben würde. Immer öfter wurde ihr Augenlicht von einem Sternenflimmern getrübt, und zuweilen wünschte sie, die Sterne würden bleiben und sie in die nächste Welt geleiten. Doch dann dachte sie an Maeve, ihr kostbares Kind, und setzte ihre Arbeit fort, diese niemals endende Aufgabe, die sie seit so vielen Jahren verrichtete, Berge von Stoffen in Kleidung für Lord Indols Familie zu verwandeln. Meine Tochter und die Erinnerung an ihren Vater ist alles, was mir geblieben ist. Maeve mit ihrer wunderbaren Singstimme, die Lord Indol niemals hören wird. Gabis, der davonsegelte und nicht mehr wiederkehrte.
    Einst hatte Lila davon geträumt, über den Ozean zu einem besseren Leben zu fliehen. Jetzt konnte sie kaum noch die Nähstube durchqueren oder die winzige Nadel führen. Sie seufzte leise und eine Träne rann über ihr Gesicht und befleckte den dunklen Saum, an dem sie arbeitete. Die Träne überraschte sie, denn sie hatte gedacht, sie sei längst über die Zeit des Weinens hinweg.
    Seit Wochen hatte Lila, während sie Gewänder und Hemden nähte, überlegt, was sie ihrer Tochter sagen wollte. Maeve musste der Sklaverei entfliehen. Die Zeit dafür war gekommen. Das Kleid, das sie ihr heimlich genäht hatte, war endlich fertig. Fast ein Jahr hatte sie dafür gebraucht, Nadeln und Faden entwendet und Kleider absichtlich zu groß geschnitten, um an die Stoffreste zu kommen, wenn sie gekürzt und enger gemacht werden mussten. Sie hatte gesagt, sie fände, Lord Indols Familie würde zu viel Blau tragen, weil sie wusste, dass die gehässige Oberin Hilda dann besonders viele Ballen blauer Seide bestellen würde. Dann hatte Lila all ihre Gebrechen betont und getan, als schwänden nicht nur ihre körperlichen, sondern auch ihre geistigen Kräfte.
    Niemand ahnt, dass die arme, altersschwache Frau dort in der Ecke näht. Heute Abend muss ich mit Maeve sprechen. Ich darf nicht länger warten.
    Der Abend warf seine Schatten über den Boden der Nähstube und entließ die Sklavinnen aus ihrem Arbeitstag. Mürrisch gab Oberin Hilda den Frauen zu verstehen, dass sie gehen durften. Lila legte ihre Nadel beiseite und schleppte ihren zierlichen Körper die Treppe hinauf.
    Das Leben weicht von mir wie das Meer bei Ebbe. Es wird niemals mehr ansteigen.
    Schließlich erreichte sie die Tür zu der Dachkammer, die sie mit Maeve teilte. Sie schlüpfte hinein und ließ sich auf die dünne Matratze sinken. Maeve war noch nicht da. Lila sammelte all ihre Kraft und zählte
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