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Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition)

Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition)

Titel: Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition)
Autoren: Maria Àngels Anglada
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Ihr Gewicht ließ ihn in die Knie gehen; er war es nicht gewöhnt, solche Lasten zu tragen, und es strengte ihn sehr an. Als er zum dritten Mal mit einem schweren Blumentopf die Treppe hinaufstieg, mit diesen Holzschuhen an den Füßen, schwankte er, und beim Hinuntergehen wurde ihm so schwindlig, dass er stehen bleiben musste, um Luft zu holen. Der Adjutant schlug ihn mit dem Knüppel – wenigstens nicht sehr fest.
    »Gut so, Markus.« Das Monster lächelte zustimmend: »Lass sie bloß nicht faul werden, die Arbeit ist noch nicht getan.«
    Daniel nahm die wenige ihm noch verbliebene Kraft zusammen und kroch in das Innere des Lieferwagens, um die ganz hinten liegende, sperrige Kiste hervorzuholen, während sein Kamerad den letzten Pflanzentrog ablud. Als er sie aufhob, erstarrte er. Seine Augen lasen die großen roten Buchstaben, und er hörte das Klirren der Flaschen. Es war in der Tat eine KISTE BURGUNDER. Ihm wurde schwarz vor Augen, und er fiel der Länge nach zu Boden.
     
     
    W ir haben gewonnen.«
    »Du bist es, der gewonnen hat.«
    Sie konnten sich erst am Abend treffen; und nun saßen sie auf einer Steinbank, umarmten sich und lachten und weinten ohne Scham. Nein, dachte Bronislaw, nicht der Scheißkerl hatte die Wette gewonnen, sondern Daniel, wenn auch, wie er mit Sorge feststellte, um den Preis der absoluten Erschöpfung. Die weiteren Einzelheiten, die der Geiger geduldig und aufmerksam anhörte, während er seinen Arm um die schmale Schulter seines Freundes legte, waren eigentlich nicht mehr so wichtig. Er erfuhr, wie Daniel immer noch benommen und schwach wieder zu Bewusstsein gekommen war, nachdem sie ihm kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet hatten, wie er, noch immer am Boden liegend, das Lachen des Kommandanten und seines Adjutanten gehört hatte, wie sie schließlich seinem Mithäftling erlaubt hatten, nachdem die restlichen Kisten abgeladen waren, ihm aufzuhelfen und ihn in die Krankenstation zu begleiten, damit man die Platzwunde auf der Stirn versorgte, wobei er sich auf den Arm seines Kameraden hatte stützen müssen.
    »Lass ihn verarzten, am Nachmittag soll er wieder an die Arbeit, dieser Schwächling.«
    Doch diese hämischen Worte machten Daniel nichts mehr aus. Er hatte gewonnen, er hatte die Geige, seine Daniel Cracoviensis rechtzeitig fertiggebaut. Seit Rascher fort war, herrschte in der Krankenbaracke ein angenehmeres Klima, und es gab Anweisungen, die Häftlinge mit »heilbaren« Krankheiten entsprechend zu behandeln. Und der jüdische Arzt, der unter Aufsicht des deutschen Stabsarztes arbeitete, tat sein Bestes. Während er die Wunde desinfizierte und versorgte, flüsterte Daniel:
    »Ich habe gewonnen! Ich brauche das Zyankali nicht mehr, das du mir gegeben hast.«
    Den schweigsamen und hilfsbereiten Arzt hatten sie als Einzigen in das Geheimnis eingeweiht. An dem Tag, als Daniels Geige endlich vollendet war, hatte ihn der Geigenbauer unter dem Vorwand einer selbst zugefügten Wunde am Handrücken aufgesucht, und der Arzt war bereit gewesen, ihm eine Giftkapsel zu überlassen. Nun drückte der Arzt Daniel die Hand und steckte ihm eine Vitamintablette zu: »Du hast sie dringend nötig.«
    Er hatte das Gift nicht schlucken müssen. Sie würden ihn nicht an einen Ort bringen, der schlimmer war als der Tod, ihn nicht den Kälte-Versuchen und auch nicht den stählernen Augen Raschers ausliefern, die sämtliche Qualen des Todeskampfes auszuforschen trachteten.

     
    »Es war wohl ganz schön knapp mit der vereinbarten Frist«, sagte Bronislaw. »Deshalb haben sie mich auch ein paar Tage von der Küchenarbeit freigestellt und befahlen mir, dir in der Werkstatt zur Hand zu gehen.«
    Er hatte ihm nicht wirklich helfen können, abgesehen vom Zureichen der Werkzeuge und bei den Versuchen, den richtigen Lack zu finden, oder beim Zerstoßen des Aloepulvers im Mörser; aber Daniel hatte stets betont, dass ihm schon seine bloße Anwesenheit Mut machte. Sie durften bei der Arbeit in der Tischlerei über nichts sprechen, außer der Geige. Den Großteil der Arbeiten am Instrument hatte der Geigenbauer selbst übernommen, der Musiker war bloß sein Gehilfe gewesen, hatte den feinen Pinsel in den mit Alkohol gefüllten Topf getaucht, ihn mit einem Lappen gereinigt, wann immer Daniel ihn darum bat, oder Wasser erhitzt, um den Leim abzutupfen, kleine Handgriffe, die ihn mit Befriedigung erfüllten.
    Er hatte auf die Auswahl des Geigenbauers vertraut, als es darum ging, sich für einen Lack auf Ölbasis
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