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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels
Autoren: Joseph Gelinek
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verlassen, was ihm nicht leichtfallen wird, da er noch einmal durch die Polizeikontrolle muss. Deshalb ist es am wichtigsten, die Ausgänge des Flughafens abzuriegeln und selbstverständlich auch die Taxistände und Bushaltestellen zu überwachen für den Fall, dass er doch hinausgelangt.«
    Der Polizeibeamte hörte Perdomo nur mit einem Ohr zu, denn er gab seine Anweisungen gleichzeitig per Telefon an die Kollegen der verschiedenen Kontrollpunkte durch.
    Als Perdomo sah, wie schnell und routiniert der Mann handelte – seinem Untergebenen um Lichtjahre voraus –, lächelte er. Ehe er sich endlich auf die Suche nach Rescaglio machte, sagte er zufrieden: »Mein Sohn bleibt hier, unter der Aufsicht der Polizistin, die ihn gefunden hat. Sie soll ihn nicht eine Sekunde aus den Augen lassen. Es fehlte noch, dass er Rescaglio entwischt ist, nur um ihm noch mal in die Hände zu fallen. Ich nehme jemanden von der AENA mit. Dieser Plan ist zwar ziemlich ausführlich, aber es stehen doch nicht alle Winkel drauf, in denen man sich verstecken kann.«
    Der Polizeibeamte winkte eine der Mitarbeiterinnen der AENA herbei, die den Passagieren helfen, sich im Flughafen zurechtzufinden. Sie kam im Laufschritt zu ihnen, offensichtlich ahnte sie, dass es hier um etwas Wichtiges ging.
    »Señorita«, erklärte ihr der Beamte, ohne den Namen auf dem Schildchen am Revers ihrer Jacke zu lesen, »dieser Herr ist ein Inspector von der Polizei. Tun Sie alles, worum er Sie bittet, und beantworten Sie alle seine Fragen.«
    Während sie in Richtung Gate J40 gingen, erklärte die AENA-Mitarbeiterin Perdomo in allen Einzelheiten die Anlage des Abflugbereichs.
    Als sie auf Ebene eins angekommen waren, blieb Perdomo am Fuß der Rolltreppe stehen, um sich zu orientieren.
    Mittlerweile hatte die Polizeiwache des Flughafens den Alarm offenbar weitergegeben, denn überall waren uniformierte Polizisten zu sehen, die durch die Korridore patrouillierten und die Hauptausgänge bewachten. Wenn Rescaglio nicht blitzschnell reagiert hatte, konnte er den Flughafen eigentlich kaum verlassen haben, zumal mit der Verletzung am Fuß.
    Als Perdomo und seine Begleiterin schließlich auf Höhe von J40 ankamen, war Rescaglio nirgendwo zu entdecken, ganz wie Perdomo vermutet hatte. Dafür ließ sich immer wieder eine monotone Lautsprecheransage vernehmen: »Zu Ihrer eigenen Sicherheit lassen Sie Ihr Gepäck bitte nicht unbeaufsichtigt …«
    Doch da bemerkte Perdomo plötzlich, dass er noch etwas hörte.
    Musik.

56
    V om Ende des Docks her drang plötzlich zart und wie aus großer Ferne Musik. Die Töne waren so leise, dass Perdomo an seinen Sinnen zweifelte und die AENA-Mitarbeiterin fragte, ob auch sie diese schwermütige Melodie hörte. Sie nickte, und schon eilten sie und Perdomo in die Richtung, aus der die Musik zu ihnen drang. Irgendwann war die Melodie klar und deutlich zu hören, beinahe als würde sie über die Lautsprecheranlage des Flughafens übertragen, und zu Perdomos Überraschung war es ausgerechnet die AENA-Mitarbeiterin, die das Musikstück erkannte.
    »Das ist Der Schwan von Saint-Saëns. Ich habe als kleines Mädchen Ballett gemacht, und das hat unsere Lehrerin in der Ballettschule oft aufgelegt.«
    Rescaglio schien völlig in sein Spiel versunken. Er hatte sich mit dem Rücken zum Gang gesetzt, und sein Blick verlor sich am Horizont.
    Einige Passagiere waren neugierig näher getreten und hörten zu.
    Perdomo beschloss, sich zunächst im Hintergrund zu halten und Rescaglio das Stück zu Ende spielen zu lassen. Allerdings bat er die AENA-Mitarbeiterin, eine Polizeistreife zu holen.
    Nach einem ausdrucksvollen Ritardando ließ Rescaglio schließlich das G, mit dem Der Schwan endet, verklingen, und mehrere Passagiere applaudierten.
    Perdomo blieb immer noch schweigend stehen und beobachtete den Musiker. Während des Spielens war seine Miene ausgesprochen friedvoll gewesen. Nun jedoch war ihm anzusehen, welche Schmerzen ihm die Verletzung am Fuß bereiten musste. Seine Socke war blutig, und in Höhe des Knöchels hatte er eine Art Druckverband angelegt, wozu er das Tuch verwendet hatte, mit dem er sonst das Cello von Staub und Kolophonium säuberte. Außerdem fiel Perdomo ein Instrumentenkoffer auf, der neben dem Musiker lag. Vermutlich befand sich darin die verfluchte Geige.
    Rescaglio lehnte das Cello an seine linke Schulter und sah den Inspector nun zum ersten Mal an.
    »Guten Tag, Inspector. Sie haben so lange gebraucht, um mich zu finden, dass
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