Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
Natur aus kräftig. Sie trug ein übergroßes lila und schwarz kariertes Hemd, in der Taille eng gerafft mit einer Herrenkrawatte. Dazu hautenge Hosen aus purpurrotem Wildleder.
    Sie nahm am Schreibtisch Platz, stützte die Ellenbogen auf und legte die Fingerspitzen gegeneinander. Delaney zog einen der unbequemen Stühle heran und setzte sich ihr genau gegenüber.
    Boone und Jason setzten sich hinter ihn.
    Alle drei hatten ihre Mäntel im Wagen gelassen. Delaney auch seinen Hut. Auf seine Anweisung hin behielten die Beamten die Dienstmütze auch im Hause auf. Sie saßen nun, die Mützenschirme tief in die Stirn gezogen, reglos hinter ihm wie steinerne Götzenbilder.
    »Sie sagten, Sie seien bei der Suche nach dem Mörder meines Mannes fündig geworden, Mr. Delaney«, begann sie förmlich und kühl.
    Delaney nahm absichtlich langsam das Brillenetui aus der Brusttasche, setzte die Lesebrille auf und rückte sie zurecht Dann blickte er auf die Schreibtafel mit der Federklemme auf seinen Knien und blätterte demonstrativ in seinen Aufzeichnungen. Aufblickend schaute er Mrs. Ellerbee durchdringend an und sagte mit harter, tonloser Stimme: »Beginnen wir am Anfang. Seit etwas mehr als einem Jahr unterhielt ihr ermordeter Mann ein Liebesverhältnis zu einer Patientin namens Joan Yesell. Dies stellt nicht nur einen groben Verstoß gegen die ärztliche Ethik dar, es war auch ein Bruch seines ehelichen Treuegelöbnisses und eine schwere Kränkung Ihrer Person.«
    Er beobachtete sie aufmerksam, konnte aber kein Zeichen von Überraschung oder Erschrecken in ihrem Gesicht entdecken. Nur die Hände ballten sich zu Fäusten, und die Knöchel schimmerten weißlich. Auch wurde sie um eine Spur blasser.
    »Sie wollen doch nicht…«ihre Stimme klang jetzt heiser und stockend.
    »Dies alles ist bewiesen und unwiderlegbar«, unterbrach Delaney und blätterte mehrmals um. »Wir haben dafür die beeidigten Aussagen von Miss Yesell, von ihrer Mutter und von einem Augenzeugen, der gesehen hat, wie Ihr Mann Miss Yesell an einem Freitagabend im Wagen heimbrachte.
    Ferner ist die Klausel im Testament Ihres Mannes, mit der er auf ausstehende Honorare verzichtete, eigens dafür gedacht, Miss Yesell zu begünstigen. Wollen Sie bestreiten, dass ihr Mann ein solches Verhältnis unterhielt?«
    »Davon war mir nichts bekannt«, sagte sie schroff.
    »O doch. Sie sind eine gescheite, gut beobachtende Person, Madam. Wir bezweifeln keinen Moment, dass Ihnen das Fehlverhalten Ihres Mannes bekannt war.«
    Sie erhob sich. »Ich betrachte unsere Unterhaltung als beendet. Verlassen Sie bitte das Haus, bevor ich…«
    Delaney ließ die flache Hand auf die Tischplatte niedersausen, und bei dem entstehenden Knall zuckte sie zusammen.
    »Setzen Sie sich«, donnerte er. »Ohne Erlaubnis werden Sie gar nichts tun!«
    Sie starrte ihn an und ließ sich wortlos auf ihrem Sessel nieder.
    »Sehen wir, dass wir weiterkommen«, setzte Delaney fort. »Allzu viel Zeit sollte man an einen so abgeschmackten Mordfall nicht verschwenden.« Das traf, wie er befriedigt sah, und er blätterte wieder in seinen Papieren.
    »Nun denn. Die beigebrachten Beweise lassen erkennen, dass Sie Ende vergangenen Jahres von der Affäre Ihres Mannes Kenntnis bekamen, vermutlich bald nachdem sie begann. Dies ist eine Vermutung von mir, doch ich nehme an, Sie ließen die Angelegenheit unerwähnt in der Hoffnung, es handele sich um eine vorübergehende Abirrung.«
    »Ich brauche Ihre Fragen nicht zu beantworten.«
    Delaney bleckte die großen gelben Zähne, was wohl ein Lächeln sein sollte. »Ich stelle gar keine Fragen, Madam. Lassen Sie mich fortfahren. Etwa drei Wochen vor seinem Tode hat Ihr Mann Ihnen eröffnet, er liebe Joan Yesell und wolle geschieden werden. Das war das Ende Ihrer Hoffnungen darauf, dass die erwähnte Abirrung temporärer Natur sei. Und es war für Ihre Selbstachtung ein bedrohlicher Schlag.«
    »Sie sind ein fürchterlicher Mensch«, flüsterte sie.
    »Sehr wahr«, gab er fast beglückt zu, »das bin ich. Erlauben Sie, dass ich Sie zur Abwechslung mal analysiere. Sie sind eine schöne, reiche Frau und haben Ihr Leben bis vor kurzem wohlbehütet, von der Wirklichkeit abgeschirmt verbracht. Was wissen Sie schon von den schmerzenden Füßen einer Kellnerin? Sie ahnen nicht, wie die Frauen der Unterschicht sich plagen müssen. Sie waren zeitlebens auf Rosen gebettet. Ihre Verwandten hinterließen Ihnen Geld und noch mehr Geld. Beruflich waren Sie ebenfalls erfolgreich, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher