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Die vier Ziele des Lebens

Die vier Ziele des Lebens

Titel: Die vier Ziele des Lebens
Autoren: Dan Millman
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einem Videospiel bleiben können, und das mitunter über Stunden, aber uns kaum je länger als für ein paar Sekunden ausschließlich dem Essen widmen? Unser ewig beschäftigter Kopf springt zwischen Vergangenheit und Zukunft hin und her, erinnernd, beurteilend, bedauernd, planend, erwartend spielt er alte Szenen durch oder versucht sich künftige auszumalen. Mit diesem Augenblick hat das alles nichts zu tun. Deshalb schrieb Alan Watts: »Die Macht der Erinnerungen und Erwartungen ist bei den meisten von uns so groß, dass uns Vergangenheit und Zukunft realer erscheinen als die Gegenwart.«
    Eines Abends sah mir mein alter Lehrer Socrates beim Trainieren zu. Ich übte am Reck und stand nach einer besonders schwierigen Figur beim Abgang wie angewurzelt. Ich riss begeistert die Fäuste hoch und sagte, mein Training sei für heute beendet. Ich zog mir das Sweatshirt aus, stopfte es in meine Trainingstasche, und wir verließen zusammen die Halle.
    Auf unserem Weg den Gang hinunter sagte Socrates: »Weißt du, Dan, der Abschluss war ziemlich schlampig.«
    Ich sah ihn erstaunt an. »Wie meinst du das? Das war der beste Abgang, den ich seit Langem hingelegt habe.«
    »Ich meine nicht den Abgang«, erwiderte er. »Ich rede davon, wie du dir das Hemd vom Leib gerissen und in die Tasche gestopft hast.«

    Mir wurde klar, dass ich einen Augenblick – das Recktraining – als etwas Besonderes angesehen hatte und einen anderen Augenblick als gewöhnlich. Socrates rief mir also wieder einmal ins Gedächtnis, dass es gewöhnliche Augenblicke nicht gibt.
    Das ist der Knackpunkt in unserem Leben, verantwortlich für die Qualität dieses gerade eintretenden Augenblicks. Können Sie lernen, diesen Augenblick zu lieben? Wollen Sie? Können Sie sich ihm mit der gleichen ausschließlichen Aufmerksamkeit widmen, mit der Sie einem Angehörigen oder Freund begegnen (oder ein Videospiel spielen) würden? Möchten Sie den unschätzbaren Wert jedes Augenblicks erkennen, während er wie ein Sandkorn durch das Stundenglas der Ihnen verbleibenden Zeit gleitet? Das Versprechen der vierten Zielsetzung erfüllt sich in dem Maße, in dem Sie auf diesen gerade eintretenden Augenblick achten.

Was ist das Leben?
    Sie kamen nirgendwoher, als Sie auf diesem in der Unendlichkeit durch Raum und Zeit kreisenden blaugrünen Staubkorn geboren wurden. Sie mögen über das Warum oder Woher Ihres Kommens nachdenken oder sich fragen, wo das Weltall endet – letzte Antworten sind nicht zu bekommen, aber staunen können wir über dieses Mysterium, dankbar, dass wir zum Mahl geladen wurden. Und wenn wir sehen, was uns alles zugefallen ist, kommt vielleicht der Wunsch auf, unsererseits etwas zu geben. Da beginnt der Pfad des Dienens, die Frucht unserer Reisen, die Tür zur Freude.
    Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines Morgens auf und finden sich aufgrund einer seltsamen Fügung des Schicksals in einer Todeszelle wieder – und Ihre Hinrichtung ist auf Mitternacht angesetzt. Sie blicken durch die Gitterstäbe, und da draußen erscheint eben der erste Schimmer Ihres letzten Sonnenaufgangs. Ein Hahn kräht in der Ferne, und Sie empfinden die schmerzliche Süße dieses Lauts. Gierig saugen Sie in sich auf, was Sie an diesem Tag sehen
und hören, jeden Geruch, jeden Geschmack, und es vergeht alles so schnell! Dann werden die Schatten länger, und Sie verzehren Ihre Henkersmahlzeit. Schließlich geht die Sonne unter, und Sie sagen dem Tageslicht Ihr letztes Lebewohl. Jede Minute bringt Sie dem endgültigen Abschied näher, dem letzten Gebet, dem letzten Atemzug.
    Solch ein letzter Tag erwartet uns alle. Vielleicht spüren wir, dass das Ende naht, aber es kommt auch vor, dass uns nach der Ankündigung nur ein paar Sekunden bleiben – oder keine einzige. Aber wenn der Henker das Beil hebt, würde da nicht manch einer gern rufen: »Warte, einen Augenblick noch, lass mich nur einmal noch süße Luft atmen, einmal noch die Menschen, die mir lieb sind, sehen, hören, berühren!«
    Warum dann nicht jetzt? Eben jetzt wäre der beste Augenblick, aufzublicken und sich umzusehen, tief zu atmen, die Natur zu genießen, sei es in den Bergen, am Strand oder im Garten, die Menschen zu berühren, die Ihnen lieb sind, und dem Leben, das Sie jetzt noch haben, alles zu geben, was Sie nur können. Wie viel Zeit, wie viele weitere Augenblicke Ihnen dazu bleiben – niemand kann es wissen.
    Das Leben ist insgesamt eine »Nahtoderfahrung« – so vergänglich, eines unter Milliarden, aber
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