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Die versunkene Welt

Die versunkene Welt

Titel: Die versunkene Welt
Autoren: Horst Hoffmann
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folgte ihr Gerrek. Mythor schwieg.
    Auf der Hügelkuppe angekommen, sahen die Gefährten ein einsam gelegenes Gehöft in einem Tal. Mehrere Gestalten hatten sich dort versammelt und warteten offensichtlich bereits ungeduldig. Dorgele winkte ihnen zu und beschleunigte ihre Schritte.
    Unwillkürlich, die Geschehnisse der letzten Nacht erinnernd, legte Scida die Hände auf die Griffe ihrer Schwerter. Kalisses Miene verfinsterte sich. Mythor begann zu ahnen, daß er große Mühe haben würde, die Amazonen vor unüberlegtem Tun zu bewahren. Sie waren Kämpferinnen und gewohnt, selbst über sich zu bestimmen und eher Befehle zu geben, als auszuführen – schon gar nicht von den ins Nasse Grab Verbannten.
    »Ruhig«, flüsterte er ihnen zu. »Wartet ab.«
    Sie erreichten das Gehöft. Wie bei ihrer ersten Begegnung mit den Inselbewohnern, zeigten sich jene, die sie erwarteten, fast demütig. Blicke aus glasigen Augen richteten sich auf sie. Mythor zählte ein Dutzend der zum Teil grünhäutigen Menschen, zwischen deren Fingern und Zehen sich bereits Ansätze von Schwimmhäuten zeigten. Wie die anderen, die sie in der Tempelruine offenbar hatten opfern wollen, trugen sie nichts am Leib als einfache Lendenschurze.
    Doch die Bewohner des Gehöfts schienen weit aufgeschlossener als jene in Icearran. Sie begannen, auf Dorgele einzureden, und die Priesterin hatte alle Mühe, sie zurückzuhalten.
    Sie führte Mythor, Scida, Kalisse und Grerrek in eine große Wohnstube mit zwei langen Tischen, auf denen schon Speisen und Getränke auf sie warteten. Die Verfemten waren um sie herum, reichten ihnen Krüge mit Wein und Fisch.
    Sie trugen keine Waffen, was nicht ausschloß, daß andere in Verstecken lauern mochten. Mythor blieb wachsam. Er versuchte, in den Gesichtern der Grünhäutigen zu lesen und geflüsterte Worte aufzuschnappen.
    »Sie sind zum zweitenmal aus der Tiefe gestiegen!« hörte er.
    »Die Meermutter hat sie freigegeben!«
    »Sie haben ihren Auftrag erfüllt!«
    Mythor wurde hellhörig. Dennoch nahm er sich die Zeit, seinen Hunger und Durst zu stillen, ehe er Dorgele zu sich winkte. Auch Scida und Kalisse griffen zu und schienen ihren Argwohn zu vergessen, bis sie halbwegs gesättigt waren. Der Fisch war nicht gerade eine Köstlichkeit, doch er reichte aus, um die knurrenden Mägen zum Verstummen zu bringen.
    Dorgele kam heran. Kurz vor Mythor blieb sie stehen.
    Die anderen Verfemten hörten auf zu reden. Abwartend blieben sie um den Tisch herum stehen. In diese plötzliche Stille hinein fragte Mythor:
    »Ich denke, daß es nun an der Zeit ist, zu reden Dorgele. Was hat es mit dem Auftrag auf sich, den wir angeblich erfüllt haben?«
    Die Tempeldienerin nickte.
    »Im Kulthaus«, begann sie mit gedämpfter Stimme, »sagte ich euch, daß euch die große Gunst zuteil werden solle, von der Meermutter selbst auf eine Probe gestellt zu werden.«
    »Ja«, knurrte Scida. »Du wolltest uns ihr opfern!«
    Dorgele blickte an ihr vorbei.
    »Diese Probe bestand darin, das Böse zu bekämpfen, das in unsere Welt eingedrungen ist. Es kam vor vielen Tagen, als die Entersegler über den Inseln auftauchten und unsere Städte zu verwüsten begannen. Die Tritonen aber wußten, daß nicht sie die größte Gefahr für uns waren. Etwas noch Schrecklicheres hatte sich im Nassen Grab eingenistet und begonnen, es mit dämonischem, neuem Leben zu verseuchen.«
    »Yacubs Brut«, entfuhr es Mythor. Ungläubig starrte er die Inselbewohnerin an. »Deshalb also brachtet ihr uns zur Ruine? Um Yacubs Nest auszuheben? Wir sollten gar nicht geopfert werden?«
    Irritiert erwiderte sie seinen Blick.
    »Natürlich nicht! Ich sagte, ihr solltet auf die Probe gestellt werden. Ihr habt sie bestanden, indem ihr das schreckliche Leben auslöschtet, das Yacub gebar, wir ihr den Unheimlichen wohl nennt. Ihr konntet die Hoffnungen rechtfertigen, die die Meermutter in euch setzte, und die Omen begannen sich zu erfüllen.« Ihr Blick verfinsterte sich. »Doch es gibt viele Stätten gleich jener unter der Statue, viele Nester des Unheils. Indem ihr eines zerstörtet, zeigtet ihr euch als Freunde der Tritonen, und das Meervolk ließ euch seinen Dank zuteil werden, als es euch vor der Flut rettete. Nun, da ihr euch bewährt habt, wünschen die Tritonen die Begegnung mit euch.«
    Mythor begriff.
    Seit undenklich langer Zeit beherrschten die Nachfahren der ehemaligen Bewohner des versunkenen Reiches Singara diese Gewässer. Nun waren auch sie von Yacub und seiner
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