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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo
Autoren: Philipp Espen
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alle Farben verschwunden schienen und die in allen Formen zu leben schien, kamen seltsame Laute.
    Henri unterhielt sich mit dem Navigator, der sich kopfschüttelnd mit seinen Instrumenten beschäftigte.
    »Wenn wir uns wirklich auf der Höhe des vierzigsten Breitengrades befinden, wäre das großartig«, meine Henri, »dann müsste ich nur sechs Tage westwärts reiten, um Toledo zu erreichen. Aber müssten wir dann nicht den Ort Benicasim mit seinem Hafen sehen?«
    »Nur ein Grad Abweichung in der Berechnung, und wir kommen fünfzig Léguas von der Route ab«, erwiderte der Seemann bekümmert. »Nach dieser stürmischen Überfahrt sind alle Instrumente wie von Sinnen. Seht Euch nur den Magnetstein an, er dreht sich wie ein betrunkener Narr um sich selbst.«
    »Ich wünschte, mein Freund Uthman wäre an meiner Seite. Denn wenn du Recht hast, könnte dies das Land der Almohaden sein. Und die Iberer führen einen grausamen Krieg gegen die Mauren. Sind wir allerdings etwas nördlicher, könnten wir uns auf dem Boden des Königreiches Valencia befinden – also in Sicherheit.«
    Am nächsten Morgen ging die Suche nach den verschwundenen Gefährten weiter. Nichts als welliger weißer Sand und verkarstete Täler. Gegen Mittag erreichten sie einen Fluss. Zuerst erblickten sie nur einen Streifen Grün im Weiß, der immer breiter wurde und sich schließlich zu einem unübersehbaren Wald weitete, der hauptsächlich aus Olivenbäumen bestand. Dann befanden sie sich am Ufer des breiten Wassers, dessen lehmige Fluten sich träge, dann wieder in Strudeln dahinwälzten.
    »Was ist das für ein Fluss? Wie heißt er?«
    Niemand wusste es.
    »Und unsere Männer? Die Spuren enden am Ufer.«
    Mehrere Abdrücke von Pferdehufen und von Sohlen verloren sich im schlammigen Uferwasser und tauchten weder nördlich noch südlich dieses Flecks wieder auf. Und auch nicht am gegenüberliegenden Ufer des Wassers, das den Reittieren bis zum Hals reichte.
    »Vielleicht sind sie mit der Strömung nach Osten, dem Meer zu, zurückgeschwommen, sie wussten ja, dass wir sie suchen, wenn sie zu lange fort sind.«
    Die Vermutung des Matrosen teilten auch die anderen.
    Sie hatten jetzt den Fluss durchquert. Am Ufer gegenüber sahen die Männer plötzlich etwas Beunruhigendes.
    In der Ferne näherte sich ein Phantom. Es sah so aus, als schwebe es über den Wassern. Auf einem flimmernden Gürtel von Luft tummelten sich vier Umrisse, deren bunte Kleidung sich überdeutlich im Grün, Weiß und Grau des Flimmerns abzeichnete. Vier Spukgestalten, die durch die Luft zu fliegen schienen, und obwohl sie in heftiger Bewegung waren, sah es nicht so aus, als kämen sie näher.
    »Aber das sind doch unsere Männer! Nunoz, Patric, Paolo und Cabrai! Ich erkenne sie an ihren Umhängen und Helmen!«
    »Aber das ist unmöglich!«
    »Aber seht doch selbst!«
    »Nein, es ist nur eine Erscheinung.«
    »Sie fliegen.«
    »Ist ja unheimlich. Sind sie tot? Sie scheinen uns aus dem Himmel zu grüßen!«
    Alle bekreuzigten sich.
    Ein Matrose aus Tarifa sagte: »Es könnte etwas sein, das die Marroquinos in meiner spanischen Heimat eine Fata Morgana nennen, eine Luftspiegelung. Irgendwas mit unterschiedlich warmer Luft, übereinander geschichtet wie eine Tortilla de pastor aus Brot und Eischaum. Ein Spuk. Wenn wir darauf reinfallen, werden wir noch tagelang hier stehen und sie erwarten.«
    Henri war daran interessiert, nach Westen zu kommen, also schlug er vor, der Erscheinung entgegenzureiten. Aber je näher sie den Gestalten zu kommen glaubten, desto weiter entfernten sie sich. Und während die vier bunten Gespenster auf ihrem flirrenden Luftteppich allmählich dünner und farbloser wurden und nach einer Weile ganz verschwanden, hielt der Trupp an und beratschlagte sich. Die Meinungen gingen auseinander, erst nach einer Weile setzte man sich wieder in Bewegung.
    Am Abend war noch immer keine Ansiedlung in Sicht.
    Der Navigator fluchte die ganze Zeit über. Und als in der anbrechenden Dunkelheit plötzlich alle Tierstimmen verstummten und Vögel davonflogen, tauchte in einer hitzeflirrenden Ebene das Band des Flusses wieder auf. Und an seinen Ufern lag zu beiden Seiten eine Stadt.
    »Wenn das Almazora ist, hatte ich Recht!«, schrie der Navigator. »Und dort treffen wir sicher auch unsere fliegenden Kameraden wieder!«
    Kleine Hütten und flache, weiße Häuser kamen näher. Auf dem Fluss wiegten sich breite, beladene Flöße mit Hüttenaufbauten und kleine, wendige Binsenboote mit
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