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Die Verschwörer von Kalare

Die Verschwörer von Kalare

Titel: Die Verschwörer von Kalare
Autoren: Jim Butcher
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Möglichkeiten sich ihm boten, und verwarf die ersten beiden, die ihm in den Sinn kamen, als vergebliche Liebesmüh. Und auch das nächste Dutzend erschien ihm nicht gerade erstrebenswert. Innerhalb von zwanzig Zügen würde der Cane mit seiner zahlenmäßigen Überlegenheit die Herrschaft über das Spielbrett an sich reißen, und dann konnte er Tavis Ersten Fürsten nach Belieben hetzen und schließlich schlagen.
    »Bei den Krähen«, murmelte der Junge.

    Varg zog die schwarzen Lippen zurück und entblößte weiße Zähne, seine Art, das aleranische Lächeln nachzuahmen. Allerdings würde wohl kein Aleraner dabei dermaßen gefräßig aussehen.
    Tavi schüttelte den Kopf und suchte weiter nach einem Ausweg. »Jetzt spiele ich schon seit fast zwei Jahren Ludus mit dir, Herr. Ich dachte, ich würde all deine Taktiken kennen.«
    »Du kennst einige«, stimmte Varg zu. »Und du lernst schnell.«
    »Da bin ich nicht so sicher«, erwiderte Tavi trocken. »Was soll ich denn eigentlich lernen?«
    »Meine Gedanken zu erkennen«, sagte Varg.
    »Warum?«
    »Du musst deinen Feind kennen. Und dich selbst. Nur dann kannst du zum Sieg gelangen.«
    Tavi legte den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts.
    Der Cane zeigte mehr von seinen Zähnen. »Ist das denn so schwer zu verstehen? Wir befinden uns im Krieg, Aleraner«, sagte er ohne jeden Groll. Er zeigte mit der Pfotenhand auf das Ludus-Brett. »Im Augenblick geht es in diesem Krieg höflich zu. Aber es handelt sich keineswegs um ein schlichtes Spiel. Wir messen unsere Kräfte. Und wir studieren einander.«
    Tavi betrachtete den Cane und runzelte die Stirn. »Damit wir wissen, wie wir uns gegenseitig umbringen, wenn der Tag der Entscheidung gekommen ist«, sagte er.
    Varg schwieg, seine Form der Zustimmung.
    Tavi mochte Varg eigentlich. Der frühere Botschafter bestach durch seine fortwährende Ehrlichkeit, zumindest Tavi gegenüber, und der Cane lebte nach einem fremden, doch strengen Ehrenkodex. Seit ihrer ersten Begegnung hatte Varg den jungen Menschen mit Respekt behandelt, wenn auch stets ein wenig von oben herab. Bei ihren Spielen hatte Tavi gedacht, zwischen ihnen würde sich, da sie sich immer besser kennen lernten, am Ende eine Art Freundschaft entwickeln.

    Da war Varg wohl anderer Meinung.
    Der Gedanke ernüchterte Tavi zunächst nur; dann jagte er ihm einen regelrechten Schrecken ein. Der Cane war eben, was er war. Ein Raubtier. Wenn es sich mit seiner Ehre vertrug und seinen Zielen diente, Tavi die Kehle aufzureißen, würde er nicht eine Sekunde zögern - doch solange der Krieg nicht offen ausgebrochen war, verschanzte er sich hinter Höflichkeit und Nachsicht.
    »Ich habe schon begabte Spieler gesehen, die sich in ihren ersten Jahren schlechter geschlagen haben«, knurrte Varg. »Eines Tages wirst du Ludus vielleicht beherrschen.«
    Vorausgesetzt, Varg und die Canim rissen ihn nicht zuvor in Stücke. Tavi verspürte plötzlich den Drang, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. »Wie lange spielst du schon?«
    Varg erhob sich und begann rastlos herumzuwandern wie ein Raubtier im Käfig. »Sechshundert Jahre, nach der Zeitrechnung deines Rudels. Einhundert nach unserer Rechnung.«
    Tavi fiel die Kinnlade herunter. »Das wusste ich nicht …«
    Varg lachte grollend.
    Tavi klappte den Mund mit Hilfe einer Hand wieder zu und suchte nach einer passenden Erwiderung. Sein Blick schweifte zurück zum Ludus-Brett und suchte die Stelle, wo Varg ihn überrumpelt hatte. »Hm. Wie ist es dir gelungen, diesen Hinterhalt aufzubauen?«
    »Disziplin«, antwortete Varg. »Du hast deine Figuren in unregelmäßigen Gruppen aufgebaut. Hast sie ausschwärmen lassen. Dadurch haben sie nicht so viele Möglichkeiten, einander zu decken, als wenn sie auf benachbarten Feldern stehen.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich das verstehe.«
    Varg rückte die Figuren zurecht und stellte eine frühere Stellung wieder her, und Tavi sah, was der Cane meinte. Seine Figuren standen in ordentlichen Reihen nebeneinander. Das wirkte auf Tavi ungeschickt und gedrängt, doch ihre verschiedenen Fähigkeiten ergänzten sich, und das machte die Schwierigkeiten
der Stellung wett. Seine eigenen Figuren hingegen standen weit auseinander, weil er bei jedem Zug versucht hatte, sich einen ganz bestimmten Vorteil zu verschaffen, um die Vorherrschaft auf dem ganzen Brett zu erlangen.
    Varg brachte den Tisch wieder in die Spielstellung und betonte jedes seiner Worte mit einer Schwanzbewegung.
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